Selten hat ein BND-Chef eine so breite Rückendeckung bekommen wie Bruno Kahl am Mittwoch im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages. Dort musste Kahl in geheimer Sitzung Rede und Antwort stehen, was der BND denn wann von dem Söldner-Aufstand in Russland gewusst hatte. Später trat er dann noch im ebenfalls geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGR) auf, um mehr Details zu enthüllen. Der Hintergrund: Zuvor hatte es aus SPD und FDP vereinzelte Kritik gegeben, dass der deutsche Auslandsdienst nicht ausreichend informiert gewesen sei - und zu spät informiert habe.
Aber schon am Vormittag löste sich die Kritik in Wohlgefallen auf. Auf die Frage, ob denn der Stuhl von Kahl wackele, sagte der FDP-Außenpolitiker Ulrich Lechte: "Falls ihn irgendjemand angesägt hat, hat er ihn gerade sehr, sehr gut wieder zusammengeklebt. Und ich glaube, dass er noch eine ganze zeitlang halten wird." Ähnlich positiv waren die Reaktionen aus SPD, CDU und von den Grünen.
Aber das berufliche Schicksal von Kahl, der bereits 2016 BND-Chef unter Kanzlerin Angela Merkel wurde, ist das Eine. Das Andere ist die Frage, was ein Geheimdienst denn wissen kann und sollte. Der BND, der sehr viel begrenztere Rechte besitzt als etwa seine westlichen Partnerbehörden in den USA oder Frankreich, musste sich diese kritische Frage schon beim überstürzten Abzug der westlichen Staaten aus Afghanistan oder beim Angriff Russland auf die Ukraine im Februar 2022 gefallen lassen. Immer wieder gab es Berichte, dass befreundete Dienste auf Anschlagspläne auch in Deutschland hinwiesen.
Wissen andere mehr, lautet die Kernfrage. "Mein Eindruck ist, dass dies nicht der Fall ist, sagte Oppositions-Außenpolitiker Jürgen Hardt (CDU). Es gebe keine Hinweise, dass andere Dienste etwa in Frankreich, Großbritannien und auch nicht den USA mehr wussten. Der BND will nicht über seine Kontakte sprechen. Aber auch in Regierungskreisen hieß es, man habe eigentlich keine Klagen über die Professionalität. Es sei immer so, dass sich Dienste austauschten und helfen würden, weil mal der eine, mal der andere etwas erfahre und sich eine besonders gute Quelle gesichert habe - also gingen auch deutsche Tipps an andere. Auch Kanzler Olaf Scholz betonte, dass nicht einmal der russischen Geheimdienste von dem Putsch gewusst hätten. Ähnlich sei die Erfahrung in Afghanistan gewesen, betonte der Grünen-Außenpolitiker Robin Wagener.
Am deutlichsten war die Kritik beim russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 - aus zwei Gründen. Zum einen wurde auch im Ausland kritisch gefragt, ob Deutschland nicht vielleicht zu enge Beziehungen zu Russland gepflegt hatte und deshalb etwa "blind" gewesen sei. Zum anderen befand sich der BND-Chef ausgerechnet am Tag des Angriffs selbst in der Ukraine. Dies kann man entweder als Beleg dafür nehmen, dass der BND nicht gut informiert war - oder als Hinweis, dass nicht einmal die Ukraine das genaue Angriffsdatum kannte. Dass die US-Dienste für ihren Vorhersagen gelobt wurden, stieß in Berlin eher auf Belustigung: "Die Amerikaner lagen richtig - nachdem sie vorher dreimal das falsche Datum verkündet hatten," heißt es.
BND immer wieder von Ereignissen überrascht
Gerade der Fall Prigoschin macht deutlich, dass es auch ein Spannungsfeld zwischen dem Wunsch nach Wissen und der Gefahr der Mitwisserschaft gibt. So hatten sich US-Präsident Joe Biden, Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der britischen Premierminister Rishi Sunak am Samstag des Putsches sehr schnell darauf verständigt, dass man sich in Russland auf keinen Fall einmischen wolle. Denn Russlands Präsident Wladimir Putin versucht den Eindruck zu erwecken, dass der Westen Russland am Boden sehen wolle. Deshalb sind amerikanische Medienberichte, dass die US-Dienste angeblich Hinweise gehabt haben wollen, politisch heikel: Nun muss die US-Regierung in Moskau klar machen, dass sie nicht etwa einen Sturz Putins durch Prigoschin geplant hatte.
Eine andere Frage ist die der Ausstattung. Kahl hatte sich in den vergangenen Jahren zufrieden gezeigt, dass die finanzielle Ausstattung deutlich verbessert wurde. Aber sie hinkt immer noch deutlich etwa hinter den Diensten in den USA hinterher. Dabei ist offensichtlich, dass Aufklärungssatelliten, Drohnen und Hightech-Geräte die Möglichkeit erheblich erhöhen, auch Gespräche und Bewegungen mitzubekommen, die nicht für westliche Ohren bestimmt sind.
SPD-Außenpolitiker Nils Schmid sagte am Mittwoch, dass man nicht über eine erneute Reform des BND-Gesetzes spreche. Aber die rechtlichen Schranken sind in einem zivilen, bisher vor allem für Friedenszeiten eingerichteten Land größer als in Staaten, die etwa wie Großbritannien oder Frankreich als ständige Vertreter im UN-Sicherheitsrat sitzen oder Nationen wie Israel, die sich im Dauer-Kriegszustand sehen.
Die Erkenntnis, dass die Dinge kompliziert sind, scheint auch bei einigen schnellen Kritikern des BND langsam einzusickern. "Es muss ein Ende haben, dass der BND immer wieder von Ereignissen überrascht wird", hatte der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner noch vor wenigen Tagen gesagt. Am Mittwoch sprach er nach der Anhörung im Auswärtigen Ausschuss von einer "überzeugenden Aufklärung".
(Reuters)