As goes January, so goes the year: Wie der Januar, so das Jahr. Das ist eine alte Börsenweisheit. Und falls sie zutrifft, wird 2022 kein gutes Jahr für Aktien. Der Schweizer Swiss Performance Index SPI hat die ersten Woche mit Verlusten von 0,6 Prozent abgeschlossen. In der zweiten Woche  betrug das Minus 2,1 Prozent. Die Verluste haben sich ausgeweitet.

Statt bei 17'000 liegt der SPI nun unter 16'000 Punkten. Das Minus seit dem Start ins neue Jahr beträgt über zwei Prozent. Aber wie zuverlässig ist die alte Börsenweisheit? 

Der cash Insider hat die Daten aufbereitet: In den letzten 25 Jahren startete die Börse sieben Mal in der ersten Woche negativ: 1998 (-0,1 Prozent), 2000 (-1 Prozent), 2001 (-3,2 Prozent), 2002 (-0,6 Prozent), 2008 (-4,5 Prozent) und 2016 (-6,2 Prozent). Und in nur zwei Fällen (1998 und 2000) drehte die Stimmung im Verlauf des Jahres – die Märkte schlossen am Ende höher.

Schwache Beziehung

Der grösste Ausreisser war 1998. Die erste Woche schloss negativ, am Ende des Jahres blieb aber ein Plus von gut 15 Prozent. Das ist stark – aber die negative Januar-Vorgabe war mit minus 0,1 Prozent auch nur denkbar knapp gewesen.

Umgekehrt gab es auch zwei Jahre, in denen die Börse am Anfang stärker tendierte und im Dezember doch rot schloss. So lief es 2018. Und so lief es 2007, dem Jahr vor der Kernschmelze des Finanzsystems. Erste Erdbeben gingen bereits durch die Finanzwelt, aber der grosse Schock kam erst im September 2008, als Lehman Brothers Insolvenz anmelden musste und der Interbankenmarkt weltweit zum Erliegen kam.

Unterm Strich sind das keine guten Indizien für Anleger, die auf den SPI setzen. Und wie steht es um die Börsenregel im Weltmarkt?

Hier hat Bloomberg nachgerechnet. Es gäbe zwar keinen logischen Grund dafür, dass die Ereignisse der ersten fünf Börsentage die verbleibenden 245 Handelstage beeinflussen sollten, doch eine schwache Beziehung scheint zu bestehen, so das Fazit der Finanznachrichtenagentur. Man müsse nur tief genug in den Daten stöbern.

Bonds mit Schreckstart

So sei die durchschnittliche Jahresperformance des MSCI World Index häufig negativ in den Jahren, in denen die erste Januarwoche Verluste aufwies. Seit 2000 starteten acht Jahre negativ – und die Hälfte davon endete auch rot. Das gleicht einem Münzwurf. Fifty-Fifty. 

Auf der positiven Seite scheint das Bild klarer: Jahre mit einem Aufwärtstrend in der ersten Woche weisen eine robuste durchschnittliche Performance auf. Unterm Strich bleibt also ein Zusammenhang, wenngleich er eher schwach ist.

Es gibt aber noch ein drittes Omen aus der ersten Woche, das gedeutet werden kann: der Anleihenmarkt. Ein Berater institutioneller Anleger hat es auf Twitter versucht.

"Was sich letzte Woche an den Anleihenmärkten abspielte, war in gewisser Hinsicht episch, etwas, worüber wir vielleicht noch viele Jahre sprechen werden", schreibt Jim Bianco aus New York. Die letzte Woche sei die schlechteste Woche für Anleihen mit einem 30-Jahreshorizont gewesen. Die Daten gehen zurück bis 1973.

In etwa gleich schlimm: 10-jährige Anleihen hatten die schlechteste Performance seit 42 Jahren. Nur im Februar 1980 habe es grössere Ausschläge nach unten gegeben.

"Warum war die letzte Woche so episch?", so Bianco weiter. "Ich glaube, der gesamte Anleihemarkt hat endlich begriffen, dass die Zeit des leichten Geldes vorbei ist." QT - Quantitative Tightening - komme, also ein Zudrehen der Geldschleuse durch die Notenbank. Inklusive Zinsanstieg: "Einfach ausgedrückt, der Anleihemarkt erlebte eine seiner schlechtesten Wochen in der Geschichte, weil die Akteure am Anleihemarkt endlich begriffen haben, dass die Fed die Liquidität beenden wird."

Aktienmark ist «das langsame Kind»

Das werfe natürlich die Frage auf, wie es mit dem Aktienmarkt aussehe, so Bianco weiter. "Der S&P sank um 1,9 Prozent, keine epische Woche", so der Finanzmarktexperte. Und er schiebt nach: "Ich sage es nur ungern, aber der Aktienmarkt ist kein Früh-Indikator unter den Finanzmärkten."

Der Aktienmarkt sei vielmehr das "langsame Kind", sagt Bianco. 2002 habe der Markt nach dem Ende der Rezession den Tiefpunkt erreicht. Und 2007 erreichte der Markt seinen Höhepunkt, nachdem der Immobilien-/Anleihemarkt 2006 bereits deutlich im Rückgang war. Und 2009 erreichte der Aktienmarkt seinen Tiefpunkt erst nach dem Anleihemarkt.

"So drehen sich die Finanzmärkte", schliesst Bianco. "Der Aktienmarkt reagiert als letztes."

Dieser Artikel erschien zuerst im Digitalangebot der "Handelszeitung" unter dem Titel: "Alte Börsenweisheit sagt: 2022 wird ein schlechtes Jahr"