Mit der Vernehmung von zwei Zeugen ist am Freitag der Prozess gegen Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz vor dem Landgericht Wien fortgesetzt worden. Dem 37-Jährigen wird Falschaussage vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss vorgeworfen. Der ehemalige Regierungschef soll vor dem Gremium seinen Einfluss bei der Bestellung seines Vertrauten Thomas Schmid an die Spitze der Staatsholding Öbag heruntergespielt haben. Konkret geht es um die Frage, ob Kurz lediglich informiert oder in die Top-Personalie involviert war.
Am Freitag drehten sich die per Videoschalte durchgeführten Befragungen um die Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen Schmid. Ein russischer Geschäftsmann, der Schmid im Zusammenhang mit einem geplanten Öl-Projekt getroffen hatte, schilderte den 47-Jährigen als jemanden, der nach seinem Eindruck unter erheblichem Druck der Staatsanwaltschaft stand. Der Zeuge war von der Verteidigung benannt worden. Schmid sei sehr an einem Deal mit der Staatsanwaltschaft interessiert gewesen, sagte der Russe. «Schmid hat gesagt, er sei gut zu den Leuten, die gut zu ihm sind», so der aus Moskau zugeschaltete Zeuge über ein Treffen mit dem ehemaligen Kurz-Vertrauten.
Der dazu am Freitag befragte Schmid betonte wiederum, er haben zu keinem Zeitpunkt Druck durch die Staatsanwaltschaft verspürt. «Da kann man nicht von Druck sprechen, und ich habe das auch nie gesagt.»
In dem Prozess gegen Kurz ist neben einer Verurteilung und einem Freispruch auch eine sogenannte Diversion möglich. Dabei handelt es sich in der Regel um eine Geldstrafe ohne Schuldspruch und formelle Verurteilung. Am Nachmittag sollen die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung gehalten werden. Danach wird das Urteil des Einzelrichters erwartet. Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass das Urteil entweder von Verteidigung oder Anklage angefochten und das Verfahren in die nächste Instanz gehen wird.
Der 37-Jährige, der nach seinem Rücktritt und seinem grundsätzlichen Abschied aus der Politik Ende 2021 nun als Unternehmer tätig ist, hat stets seine Unschuld betont. Er stand von 2017 bis 2019 an der Spitze einer Koalition der ÖVP mit der rechten FPÖ. Dieses Bündnis zerbrach an der Ibiza-Affäre, die Fragen zur Anfälligkeit der Regierung für Korruption aufwarf. Von 2020 bis 2021 leitete Kurz ein Bündnis von ÖVP und Grünen.
Zum Zeitpunkt seiner Aussage im Juni 2020 war Kurz auch vor dem Hintergrund seiner Führung in der Corona-Krise so beliebt wie selten. Er hatte den Bürgern stets einen «neuen Stil» versprochen, ohne die in Österreich verbreitete Vetternwirtschaft. Dies gilt als ein Grund, warum er im Untersuchungsausschuss seinen Einfluss bei der Öbag-Besetzung als «informiert», aber nicht als «involviert» schilderte.
Abgesehen vom aktuellen Prozess droht dem Ex-Kanzler noch ein zweites Verfahren. In der sogenannten Inseraten-Affäre sollen der damalige Regierungschef und sein Team mit Steuergeld gefälschte Umfragen in Auftrag gegeben haben. Ausserdem sollen sie sich mit Inseraten in diversen Medien eine wohlmeinende Berichterstattung erhofft haben. Die Ermittlungen wegen des Verdachts der Bestechlichkeit, Korruption und Untreue laufen gegen insgesamt zehn Verdächtige.
(AWP)