Auf die Frage, ob er eine entsprechende Einschätzung vom Chef des grössten heimischen Geldhauses Sberbank teile, antwortete Putin am Freitag auf einem Wirtschaftsforum in Wladiwostok: «Nein.» Sberbank-Chef German Gref hatte tags zuvor vor einer Krise gewarnt: Sollte die Zentralbank die Zinsen nicht drastisch senken, werde das Land in eine Rezession geraten.
Putin führt Äusserungen über eine stagnierende Wirtschaft auf die Unzufriedenheit mit den hohen Zinsen zurück. Diese seien allerdings notwendig, um die Inflation einzudämmen. «Wenn die Inflation die Wirtschaft überwältigt, wird nichts Gutes dabei herauskommen», sagte Putin. Zudem geniesse die russische Zentralbank in der internationalen Finanzwelt ein sehr hohes Ansehen.
Die Äusserungen Grefs sowie die vieler Ökonomen stehen im Einklang mit Daten aus einem jüngsten Bericht der russischen Zentralbank. Demzufolge ist das Bruttoinlandsprodukt in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen geschrumpft, was einer gängigen Definition von einer technischen Rezession entspricht.
Die Währungshüter hatten den Leitzins im vergangenen Jahr auf 21 Prozent angehoben, um die Inflation einzudämmen. Dies war der höchste Stand seit Anfang der 2000er Jahre. Im Juni senkte sie den Satz auf 20 Prozent, im Juli dann auf den aktuellen Wert von 18 Prozent. Die Inflationsrate lag zuletzt bei 8,79 Prozent und damit mehr als doppelt so hoch wie von der Zentralbank anvisiert. Sie rechnet erst für 2026 wieder mit einer Teuerungsrate von vier Prozent.
In Russland haben sich Warnungen vor einer Konjunktureintrübung zuletzt gehäuft. «Die neuesten Daten deuten darauf hin, dass sich die Wirtschaft schneller als erwartet abkühlt», räumte Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow ein. Finanzminister Anton Siluanow hatte Putin vergangene Woche mitgeteilt, dass sich das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr voraussichtlich auf 1,5 Prozent verlangsamen dürfte. Dies liegt weit unter der früheren Prognose von 2,5 Prozent und unter dem 2024 erreichten Plus von 4,3 Prozent.
Die Regierung hat wegen des seit dreieinhalb Jahren währenden Kriegs gegen die Ukraine auf Kriegswirtschaft umgestellt. Rüstungsbetriebe zahlen hohe Gehälter, mit denen viele andere Unternehmen aus anderen Branchen nicht mithalten können. Das hat die Inflation befeuert, zumal viele Arbeitskräfte zur Armee eingezogen wurden oder ins Ausland geflohen sind. Die hohen Zinsen, mit denen die Teuerung bekämpft werden soll, dämpfen Investitionen. Zudem setzen die westlichen Sanktionen wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine der Wirtschaft zu.
(Reuters)