EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte in Aussicht gestellt, dass die Euro-Notenbank auf ihrer Dezember-Zinssitzung wichtige Weichen für eine Verringerung der billionenschweren Anleihenbestände stellen will. Experten sprechen zumeist von "Quantitativer Straffung" - kurz "QT". Was genau ist unter diesem geldpolitischen Instrument zu verstehen und wie funktioniert es?

Wie gross ist die EZB-Bilanz derzeit?

Die EZB und die nationalen Notenbanken der Euro-Länder haben seit 2015 im Rahmen des sogenannten APP-Programms massiv Staatsanleihen und andere Bonds erworben, um die damals schwache Konjunktur anzuschieben und eine unerwünscht niedrige Inflation nach oben zu treiben. 2020 zu Beginn der Coronakrise legte die EZB zudem das Pandemie-Kaufprogramm PEPP auf, um die Wirtschaft zu stützen und den Finanzfluss aufrecht zu erhalten.

Beide Anleihen-Programme sind zwar inzwischen eingestellt. Fällig werdende Bonds werden aber weiterhin im Bestand ersetzt. Aktuell liegt dieser bei APP-Anleihen bei rund 3,3 Billionen Euro, der Bestand an PEPP-Bonds beläuft sich auf etwa 1,7 Billionen Euro. Die gesamte Notenbankbilanz des Euro-Systems, das die EZB und die nationalen Notenbanken der 19-Euro-Länder umfasst, hat derzeit ein Volumen von rund 8,5 Billionen Euro.

Wie funktioniert QT genau?

Quantitative Straffung oder QT ist das gegenläufige Instrument zur Quantitativen Lockerung oder QE. Unter QE wird der Kauf von Staatsanleihen und anderen Titeln verstanden. Dieses Instrument setzte die EZB ab 2015 ein, als sie die bereits sehr niedrigen Leitzinsen nicht mehr stark senken konnte. Durch den Kauf von Bonds wollte die EZB damals die Staatanleihe-Renditen drücken und damit die Finanzierungskosten in der Wirtschaft, um so Konjunktur und Inflation anzuschieben.

Mit QT, dem Abschmelzen von Anleihenbeständen, will eine Notenbank das Gegenteil erzielen. Sie will für höhere Finanzierungskosten sorgen, die Kreditvergabe und damit die Wirtschaft bremsen und die Inflation nach unten drücken. QT ist somit ein ergänzendes Instrument zur traditionellen Zinspolitik, die bei der EZB inzwischen wieder das Hauptwerkzeug ist.

Wie wird die EZB vorgehen?

Lagarde hat signalisiert, dass die EZB bei QT zunächst die Bestände aus dem Kaufprogramm APP im Blick hat. EZB-Vize Luis de Guindos plädierte unlängst dafür, zunächst passiv zu verfahren. Statt einem aktiven Verkauf der Titel sollen die Reinvestitionen heruntergefahren werden. Das würde bedeuten, dass fällig werdende Anleihen nicht mehr wie bisher vollumfänglich ersetzt werden. Dies könnte etwa über Prozentsätze oder andere Stellschrauben festgelegt werden.

Viele Währungshüter haben sich für einen graduellen und vorhersehbaren Prozess ausgesprochen. Sie streben an, dass QT gleichsam auf Autopilot gestellt wird, so dass sie nicht immer wieder dazu neue Entscheidungen treffen müssen. Analysten rechnen mit einem Prozess über viele Jahre. Manche Schätzungen lauten auf eine Abschmelzung im Umfang von etwa 15 bis 20 Milliarden Euro pro Monat. Fällig werdende Anleihen aus dem PEPP-Programm will die EZB bislang bis mindestens Ende 2024 noch voll im Bestand ersetzen.

Welche Folgen hat QT?

Mit QT wird die Bedeutung der Euro-Notenbank als Käufer am Anleihemarkt abnehmen. Neu begebene Staatsanleihen der Euro-Länder werden dann wieder deutlich mehr in den Portfolios privater Investoren landen. Am Anleihemarkt deuten die Kurse darauf hin, dass sich Anleger schon auf einen baldigen Start von QT eingestellt haben. Die zehnjährige Bundesanleihe wirft inzwischen wieder eine Rendite von 1,8 Prozent ab - vor einem Jahr lag sie noch im Minusbereich.

Für hochverschuldete Euro-Länder wie Italien, deren zehnjährige Anleihe aktuell bei 3,7 Prozent rentiert, dürften die Finanzierungskosten tendenziell zunehmen. Sollte es zu Marktturbulenzen kommen, hat die EZB aber bereits ein Sicherheitsnetz geflochten. Erst vor wenigen Monaten hat sie ein neues Instrument beschlossen - das Transmission Protection Instrument oder kurz TPI - mit dem sie unter bestimmten Bedingungen hochverschuldeten Staaten mit Staatsanleihekäufen gezielt unter die Arme greifen kann.

(Reuters)