Über die Abschaffung der Heiratsstrafe kann das Parlament entscheiden. Der Bundesrat hat am Mittwoch die Botschaft zur Einführung der Individualbesteuerung verabschiedet. Er bevorzugt wie angekündigt den Weg über ein Gesetz und lehnt einen neuen Verfassungsartikel ab.

Der Bundesrat empfiehlt deshalb die Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung (Steuergerechtigkeits-Initiative)» der FDP Frauen zugunsten des indirekten Gegenvorschlags zur Ablehnung, wie er schrieb. Mit einem neuen Bundesgesetz über die Individualbesteuerung könne das gleiche Ziel schneller erreicht werden.

Heute werden in der Schweiz verheiratete Paare und gleichgeschlechtliche Paare, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben, gemeinsam besteuert. Gehen beide Personen einer Erwerbstätigkeit nach, müssen sie wegen der Progression höhere Steuern bezahlen als Konkubinatspaare mit zwei getrennten Steuerveranlagungen.

Mit dem Wechsel von der Ehepaarbesteuerung zur Individualbesteuerung will der Bundesrat die sogenannte Heiratsstrafe abschaffen und positive Erwerbsanreize setzen. Der Grundsatz lautet: Ehepaare sollen künftig wie unverheiratete Paare besteuert werden und zwei getrennte Steuererklärungen ausfüllen.

Höherer Kinderabzug

Die Eckwerte der Reform hatte der Bundesrat bereits im August 2023 gestützt auf die Resultate der Vernehmlassung beschlossen. Bei der Mehrheit der Parteien fiel die Vorlage zwar durch. Der radikale Umbau des Systems in der Ehepaarbesteuerung schaffe neue Ungerechtigkeiten, lautete der Tenor.

Trotzdem trieb der Bundesrat das Projekt voran, das das Parlament im Rahmen der Legislaturplanung verlangt hatte. Der Wechsel zur Individualbesteuerung soll seiner Meinung nach positive Erwerbsanreize setzen, eine zivilstandsunabhängige Besteuerung sicherstellen und die vom Bundesgericht als verfassungswidrig gerügte Heiratsstrafe beseitigen.

Die Einkünfte und Vermögenswerte von verheirateten Paaren werden demnach nach den zivilrechtlichen Verhältnissen aufgeteilt, wie es heute bereits bei unverheirateten Paaren erfolgt. Der Kinderabzug bei der direkten Bundessteuer soll von heute 6700 auf 12'000 Franken erhöht werden. In der Vernehmlassung waren noch 9000 Franken vorgeschlagen worden.

Eine Milliarde Franken fehlt

Hingegen soll auf den Abzug für Haushalte mit nur einer erwachsenen Person verzichtet werden. Auch für Ehepaare mit nur einem Einkommen ist kein spezieller Abzug vorgesehen.

Die Individualbesteuerung ist gemäss den Bundesratsplänen auf allen Staatsebenen vorgesehen. Die Kantone müssten die Reform somit auf Kantons- und Gemeindeebene umsetzen. Offen sind die Auswirkungen auf die kantonalen Steuern, weil die Kantone bei der Ausgestaltung der Tarife und Abzüge frei sind.

Bei der direkten Bundessteuer geht der Bundesrat bezogen auf das Steuerjahr 2024 von schätzungsweise rund einer Milliarde Franken Mindereinnahmen pro Jahr aus. Davon trägt der Bund rund 800 Millionen Franken und die Kantone rund 200 Millionen Franken. Aufgrund der Komplexität des Systemwechsels ist laut dem Bundesrat von einem längeren Umsetzungshorizont auszugehen. Die Vorlage sei daher auch nicht in der Finanzplanung abgebildet.

Gewisse dürften mehr bezahlen

Anpassen will der Bundesrat den Steuertarif. So sollen die Steuersätze für tiefe und mittlere Einkommen abgesenkt und für sehr hohe Einkommen leicht erhöht werden. Die Tarifanpassungen ermöglichten eine gleichmässigere Entlastungswirkung der Reform über die Einkommensklassen, schrieb der Bundesrat.

Mit dem Systemwechsel ergeben sich gemäss heutiger Schätzung insbesondere steuerliche Entlastungen für Ehepaare mit eher gleichmässiger Einkommensaufteilung. Dies betrifft auch zahlreiche Rentnerehepaare. Unverheiratete Personen ohne Kinder erfahren dank der Absenkung des Steuertarifs im Durchschnitt ebenfalls eine Entlastung.

Für Ehepaare mit nur einem Einkommen oder einem niedrigen Zweiteinkommen führt die Reform bei der direkten Bundessteuer laut dem Bundesrat hingegen zu gewissen Mehrbelastungen. Dies betrifft insbesondere Ehepaare mit nur einem Einkommen und Kindern.

Deutliche Mehrheit würde profitieren

Bei unverheirateten Personen mit Kindern führt der Wegfall des heutigen privilegierten Steuertarifs in der obersten von zehn Einkommensklassen gemäss heutiger Schätzung zu gewissen Mehrbelastungen, während die Absenkung der Steuersätze und die Erhöhung des Kinderabzugs diesen Effekt bei den unteren und mittleren Einkommensklassen voraussichtlich kompensieren dürften.

«Schätzungen zufolge wird die Steuerlast mit dem indirekten Gegenvorschlag für eine deutliche Mehrheit der Steuerpflichtigen sinken», schrieb der Bundesrat.

(AWP)