Die europäische Ratingagentur Scope warnt vor einer Gefährdung der deutschen Top-Bonität bei ausbleibenden Rentenreformen. «Die Alterung der Gesellschaft und deren Auswirkungen auf Staatsfinanzen und Wirtschaftswachstum sind eine der wichtigsten Herausforderungen für Deutschlands AAA-Rating», sagte Scope-Analyst Julian Zimmermann der Nachrichtenagentur Reuters.
Die alternde Bevölkerung Deutschlands werde in den kommenden Jahren zu steigenden Pensionsverbindlichkeiten führen. So dürften die Bundeszuschüsse zur Unterstützung des umlagefinanzierten Rentensystems von 93 Milliarden Euro im zu Ende gehenden Jahr auf mehr als 113 Milliarden Euro im Jahr 2029 steigen. Das entspreche dann rund 20 Prozent der prognostizierten Einnahmen des Bundes.
«Steigende Kosten im Bundeshaushalt reduzieren die Ausgabenflexibilität», sagte Zimmermann. Das Geld fehle dann für zukunftsgerichtete Investitionen, was wiederum einen negativen Effekt auf das Wirtschaftswachstum haben könne. «Die alternde Bevölkerung drückt auch auf das mittelfristige Wachstumspotenzial», sagte der Experte. Scope schätzt dieses für Deutschland derzeit auf etwa 0,7 Prozent - der schwächste Wert unter den ebenfalls mit der Bestnote AAA bewerteten Ländern, darunter Norwegen, Schweden, die Schweiz und Dänemark.
CDU, CSU und SPD haben im Dezember das umstrittene Rentenpaket im Bundestag beschlossen. Es sichert das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent und weitet die sogenannte Mütterrente aus. Das Rentenpaket bedeute für den Bundeshaushalt künftig Mehrbelastungen von etwa 0,25 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Das sei «zwar eine insgesamt moderate, aber permanente Zusatzbelastung des Bundeshaushalts und ist damit einer nachhaltigeren Ausgestaltung des deutschen Rentensystems gegenläufig», sagte Analyst Zimmermann.
Auch wenn die Lohnnebenkosten vom aktuellen Rentenpaket nicht direkt betroffen sind, da dessen Kosten durch den Bundeshaushalt getragen werden, dürfte der Beitragssatz für die Rentenversicherung nach Prognosen von aktuell 18,6 Prozent auf rund 20 Prozent bis 2030 steigen. «Der Anstieg der Lohnnebenkosten belastet die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen deutlich», warnte Zimmermann.
Er rät zu einer Stärkung der privaten Altersvorsorge. «Deutsche Rentner sind besonders abhängig von öffentlichen Rentenzahlungen», sagte der Experte. Sie beziehen der Industriestaaten-Organisation OECD zufolge im Durchschnitt 66 Prozent ihres Einkommens durch öffentliche Zuweisungen. Dies liege deutlich über dem Durchschnitt von anderen Ländern mit AAA-Ratings von 52 Prozent. Private Altersvorsorge spiele in Deutschland eine untergeordnete Rolle und liege deutlich unter dem Schnitt anderer AAA-Länder.
Die Bestnote signalisiert Anlegern ein extrem geringes Risiko für Investitionen in deutsche Staatsanleihen. Der Bund kann sich deshalb vergleichsweise günstig verschulden, während Staaten mit weit mehr Verbindlichkeiten wie Frankreich und Italien eine Risikoprämie an Investoren zahlen müssen.
(Reuters)
