Die russische Regierung äusserte sich am Donnerstag zunächst nicht zu dem Absturz, bei dem neben Prigoschin weitere Führungskader der Wagner-Söldner am Mittwoch ums Leben gekommen sein sollen. In Berlin wollte Bundesaussenministerin Annalena Baerbock nicht über die Hintergründe spekulieren.

Die russische Luftfahrtbehörde Rosawiatsia hatte Prigoschin wie auch den Kommandeur der Wagner-Gruppe Dmitri Utkin unter den zehn Menschen an Bord der Embraer-Maschine aufgelistet. Das Katastrophenschutz-Ministerium erklärte, es gebe nach ersten Erkenntnissen keine Überlebenden. Eine offizielle Bestätigung für Prigoschins Tod lag jedoch weiter nicht vor. Prigoschin war bei Russlands Präsident Wladimir Putin spätestens nach der von ihm angeführten Revolte am 23. und 24. Juni in Ungnade gefallen.

Rosawiatsia zufolge stürzte das Flugzeug in der Region Twer ab. Die Maschine sei auf dem Flug von Moskau nach St. Petersburg gewesen. Auf einem mit der Wagner-Gruppe verbundenen Telegram-Kanal hiess es, Prigoschin sei tot. Der "Held Russlands" und "wahre Patriot" sei "infolge der Handlungen von Verrätern an Russland" ums Leben gekommen, hiess es in einem Beitrag auf Grey Zone. "Aber selbst in der Hölle wird er der Beste sein!" Der Tod von Prigoschin und Utkin - sollte er bestätigt werden - lässt die Wagner-Gruppe ohne klare Führung zurück.

Anwohner an der Absturzstelle berichteten, sie hätten vor dem Absturz einen Knall gehört. Ein Flügel der Maschine sei abgebrochen, berichtete ein Augenzeuge. Nach Angaben des Flugzeugherstellers Embrear gab es in den vergangenen 20 Jahren nur einen registrierten Unfall mit dem fraglichen Modell. Dabei habe es sich aber nicht um einen mechanischen Defekt gehandelt. Zudem betonte das Unternehmen, Embrear habe die internationalen Sanktionen gegen Russland eingehalten und auch keine Teile geliefert oder Wartungsarbeiten geleistet.

«Auf Gewalt gebaut»

Baerbock erklärte, es sei noch immer unklar, was geschehen sei. Auf offizielle russische Verlautbarungen sei kein Verlass. "Was wir aber wissen, ist, dass wir seit mindestens anderthalb Jahren gerade ja auch vom Kreml immer wieder belogen werden", betonte die Ministerin. "Von daher ist es kein Zufall, dass die ganze Welt sofort auch jetzt auf den Kreml schaut, wenn ein in Ungnade gefallener Ex-Vertrauter Putins plötzlich sprichwörtlich vom Himmel fällt, zwei Monate, nachdem er einen Aufstand probte." Mit Blick auf die russischen Führung sagte Baerbock: "Ein diktatorisches Machtsystem, das auf Gewalt gebaut ist, kennt auch nach Innen und nach Aussen nur Gewalt."

US-Präsident Joe Biden erklärte noch in der Nacht: "Ich weiss nicht genau, was passiert ist. Aber ich bin nicht überrascht (...) Es gibt nicht viel, was in Russland passiert, hinter dem nicht Putin steckt, aber ich weiss nicht genug, um die Antwort zu kennen." Mychajlo Podoljak, Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj, sagte mit Verweis auf den Aufstand der Söldner-Gruppe gegen den Kreml: "Prigoschin hat in dem Moment, als er 200 Kilometer vor Moskau stehen blieb, sein eigenes Todesurteil unterschrieben."

Monatelange Kritik an Militärführung

Prigoschins Kämpfer hatten bei dem Aufstand im Juni die südrussische Millionenstadt Rostow am Don eingenommen und bewegten sich danach auf Moskau zu, um nach eigenen Angaben mit Betrug, Korruption und Bürokratie aufzuräumen. Bereits zuvor hatte Prigoschin monatelang die russische Militärführung kritisiert und ihr unter anderem vorgeworfen, seine in der Ukraine eingesetzten Kämpfer würden nicht ausreichend mit Munition versorgt.

Putin warf Prigoschin nach dem offenen Aufstand im Fernsehen Verrat vor und kündigte an, jeder, der die Waffen gegen die Armee erhebe, werde bestraft. Der Machtkampf zwischen Progoschin und Putin wurde nach zwei Tagen unter Vermittlung des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko beendet. Demnach erklärte sich Prigoschin dazu bereit, nach Belarus zu gehen. Im Gegenzug wurde keine Anklage gegen den Söldnerführer in Russland erhoben. Prigoschin und seinen Kämpfern sei Straffreiheit zugesichert worden, sagte damals Regierungssprecher Dmitri Peskow.

Die von Prigoschin und Dmitri Utkin nach eigenen Angaben 2014 gegründete Söldner-Gruppe Wagner erlaubte es Russland, sich indirekt an zahlreichen Konflikten wie denen in Syrien, Mali, Libyen und der Zentralafrikanischen Republik zu beteiligen. Im Ukraine-Krieg waren die Kämpfer für die russische Armee vor allem an der Ostfront eine wichtige Stütze.

(Reuters)