Umfragen sind kurz vor der Parlamentswahl an diesem Sonntag zwar verboten, doch sehen sieben von Reuters befragte Meinungsforscher die Mitte-Links-Partei (PD) um Spitzenkandidat Enrico Letta und der 5-Sterne-Bewegung des ehemaligen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte im Aufwind. "Man sollte nichts ausschliessen", sagte der Chef des Meinungsforschungsinstituts Eumetra, Renato Mannheimer. "Ich würde die Wahrscheinlichkeit einer rechten Mehrheit auf 60 bis 65 Prozent schätzen." Vor drei Wochen seien es noch etwa 80 Prozent gewesen.

Zum Zeitpunkt des Umfragestopps am 10. September sahen die meisten Forscher die "Brüder Italiens" mit etwa 24 Prozent vorn. Der gesamte rechte Block, zu dem die Forza Italia des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und die Lega von Ex-Innenminister Matteo Salvini gehören, wurde bei etwa 46 Prozent gesehen. Besonders die 5-Sterne-Bewegung hat aber Experten zufolge zuletzt aufgeholt und könnte die Lega als drittstärkste Partei überholen. "Conte hat einen sehr guten Wahlkampf geführt und kaum etwas falsch gemacht", sagte der Leiter der Agentur EMG Different, Fabrizio Masia.

Sitze gehen fast vollständig an die vereinigte Rechte

Allerdings sind sich die meisten Meinungsforscher einig, dass die Spaltung zwischen 5-Sterne-Bewegung und PD die Chancen beider Parteien auf ein Drittel der nach dem Mehrheitswahlrecht vergebenen Parlamentssitze schmälert. Es wird davon ausgegangen, dass diese Sitze fast vollständig an die vereinigte Rechte gehen werden. Der Rest der Sitze wird nach dem Verhältniswahlrecht vergeben.

"Selbst das Wachstum der 5-Sterne-Bewegung, sofern es sich nicht um ein phänomenales Wachstum handelt, scheint nicht auszureichen, um einen Sieg der Mitte-Rechts-Bewegung zu verhindern", sagte Lorenzo Pregliasco, Leiter der Agentur YouTrend. EMG-Forscher Masia sagte, die Konservativen könnten nur dann gestoppt werden, wenn neben der 5-Sterne-Bewegung auch die Mitte-Partei "Action" auf etwa zehn Prozent kommen und den Rechten wegnehmen sollten. Vor Aussetzung der Umfragen lag "Action" bei etwa 6,5 Prozent.

Die Wahl ist notwendig, weil der frühere EZB-Präsident Mario Draghi im Juli nach dem Bruch seines breiten Regierungsbündnisses nach rund anderthalb Jahren Amtszeit als Ministerpräsident zurückgetreten war. Er ist aber noch geschäftsführend im Amt. Präsident Sergio Mattarella machte daraufhin den Weg für Neuwahlen frei, indem er per Dekret die Auflösung beider Parlamentskammern besiegelte. Dadurch wurde ein Urnengang binnen 70 Tagen notwendig.

(Reuters)