Als einzige der fünf Fluggesellschaften von Thomas Cook hielt die einst zur Lufthansa gehörende Traditionsmarke ihren Betrieb am Montag aufrecht, nachdem der älteste Reisekonzern der Welt hoch verschuldet in die Knie gegangen war. Bis zu 600'000 Urlauber sind gestrandet. Condor beantragte unmittelbar nach dem Scheitern der Verhandlungen von Thomas Cook mit möglichen Geldgebern einen Staatskredit bei der Bundesregierung, um liquide zu bleiben. "Wir konzentrieren uns auch weiterhin auf das, was wir am besten können: Unsere Gäste pünktlich und sicher in den Urlaub zu fliegen", warb Condor-Chef Ralf Teckentrup um Vertrauen.

Scheitert die Rettungsaktion, geht es den rund 240'000 derzeit im Urlaub weilenden Condor-Fluggästen genauso wie den vielen Cook-Kunden aus Grossbritannien oder Skandinavien, die per Notfallplan nach Hause fliegen müssen oder gar nicht erst wegkommen. Das Wirtschaftsministerium erklärte in Berlin, den Antrag auf einen Überbrückungskredit zu prüfen. Beteiligte der öffentlichen Hand gehen davon aus, dass es bei der Kreditanfrage um rund 200 Millionen Euro geht.

In Branchenkreisen wurde außerdem spekuliert, die Lufthansa könne Condor zumindest teilweise übernehmen, um ihr Tourismusgeschäft auf der Langstrecke neu aufzustellen. Mit der Lufthansa an Bord könnte die Bundesregierung sich zu Staatshilfe durchringen, denn sie kann nach EU-Recht einem Unternehmen nur beispringen, wenn es dauerhaft überleben kann. Die Lufthansa wollte sich dazu nicht äußern.

Zudem erklärte die deutsche Thomas Cook GmbH, noch letzte Optionen zu prüfen, um eine Pleite zu verhindern. Betroffen davon wären unter anderem die Marken Neckermann, Bucher Reisen & Öger Tours. Allerdings stoppte die deutsche Gesellschaft sofort den Reiseverkauf und erklärte, die ab Montag gebuchten 21'000 Abreisen nicht gewährleisten zu können. Derzeit müssen rund 140'000 Kunden von Thomas Cook in Deutschland an ihrem Ferienort bangen, ob sie auch wieder heimkommen.

"Moralisches Fehlverhalten"

Im Heimatland der fast 180 Jahre alten Thomas Cook Group, Großbritannien, blieb der konservative Premierminister Boris Johnson hart. Er habe eine Bitte um Finanzhilfe von 150 Millionen Pfund ausgeschlagen, sagte er auf dem Flug zur UN-Vollversammlung nach New York. Dies wäre sonst ein Fall "moralischen Fehlverhaltens", der Fahrlässigkeit von Firmen begünstigen würde.

Den etwa 150'000 gestrandeten Urlaubern aus Großbritannien versprach er, das Beste zu tun, um sie nach Hause zu bringen. Die Ära des Erfinders der Pauschalreise endet so mit der größten Rückholaktion Großbritanniens von Bürgern in Friedenszeiten. Die oppositionelle Labour-Partei kritisierte Johnson dafür, Thomas Cook untergehen zu lassen. "Eine so alte Marke und Tradition nicht zu retten, finde ich schade", kommentierte auch ein Nutzer die Hiobsbotschaft auf Thomas Cooks Instagram-Account.

Cook-Konzernchef Peter Fankhauser entschuldigte sich bei Millionen Kunden, Tausenden Beschäftigten, Lieferanten und Partnern. Er hatte ein Rettungspaket über 900 Millionen Pfund mit dem chinesischen Großaktionär Fosun, Banken und Anleihegläubigern in Arbeit. Doch eine in den letzten Zügen draufgelegte Forderung von Banken über 200 Millionen Pfund, Insidern zufolge vor allem der Royal Bank of Scotland, brachte den Plan zum Scheitern.

Ein ursprünglicher Plan, die Fluggesellschaften zu verkaufen, um mit dem Erlös den Tourismuskonzern zu sanieren, war zuvor ebenfalls gescheitert. Hier hatte die Lufthansa ihr Interesse bekundet.

"Ein zutiefst trauriger Tag"

"Das ist ein zutiefst trauriger Tag für ein Unternehmen, das Pionierarbeit bei Pauschalreisen geleistet und Millionen Menschen in der ganzen Welt das Reisen ermöglicht hat." Thomas Cook war mit umgerechnet 1,9 Milliarden Euro hoch verschuldet. Der heiße Sommer 2018 führte zu Einbrüchen im Last-Minute-Geschäft, die lange nachwirkten. Der Brexit drückte den Pfundkurs und verdarb vielen Briten die Reiselust, was den Preiskampf unter den Veranstaltern noch verschärfte.

Anders als der Marktführer TUI setzt Thomas Cook außerdem noch nicht so lange auf eigene Hotels und Ressorts, mit denen ein Veranstalter auf den Trend weg von der Pauschalreise und hin zu individuellem Urlaub reagieren kann.

Der Zusammenbruch des zweitgrößten Reisekonzerns weltweit ließ die Aktien von TUI, der Nummer eins aus Hannover, um mehr als zehn Prozent an der Londoner Börse steigen. Auch Airline-Aktien legten zu, weil Anleger durch ein Ausscheiden der Cook-Airlines auf einen Rückgang des Angebots setzten. In den vergangenen Jahren gingen einige Fluggesellschaften schon pleite - so etwa Air Berlin oder Germania aus Deutschland - doch andere Airlines übernahmen die Kapazitäten.

Etwa 600'000 Kunden von Thomas Cook rund ums Mittelmeer müssen wegen der Pleite jetzt größtenteils durch andere Airlines nach Hause kommen. In Großbritannien organisiert das die Flugbehörde CAA. Die mindestens 340'000 Kunden aus Deutschland - von Thomas Cook und Condor - müssen sich bei Pauschalreisen auf den Veranstalter verlassen, als Individualreisende selbst für ihre Rückreise sorgen.

"Wir haben uns so auf unseren Urlaub gefreut, und jetzt das", schimpfte ein enttäuschter Kunde auf Instagram. Die Thomas-Cook-Reisebüros blieben am Montag geschlossen. Am Flughafen Manchester etwa wurden die Thomas-Cook-Schilder mit dem gelben Herz-Logo am Check-in abgenommen.

(Reuters)