Im Kampf gegen die Teuerung steigt der Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB) an ihrer nächsten Sitzung am 8. September mit einer massiven Zinserhöhung gegenzusteuern. Die Verbraucherpreise stiegen im August angetrieben durch hochschießende Energie- und Lebensmittelpreise binnen Jahresfrist um 9,1 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat am Mittwoch auf Basis einer Schnellschätzung mitteilte. Experten hatten 9,0 Prozent erwartet, nach 8,9 Prozent im Juli.

«Nun hinken sie der Teuerungsentwicklung hinterher»

Sorgen dürfte der EZB zudem bereiten, dass sich auch der zugrundeliegende Preisdruck im August nochmals verstärkt hat. Die sogenannte Kerninflation, in der schwankungsreiche Preise für Energie und unverarbeitete Lebensmittel herausgerechnet sind, erhöhte sich auf 5,5 Prozent nach 5,1 Prozent im Juli. Dies zeigt an, dass der Teuerungsschub inzwischen immer weitere Bereiche der Wirtschaft erfasst hat.

"Die europäischen Währungshüter haben es versäumt, rechtzeitig den Hebel herumzulegen. Nun hinken sie der Teuerungsentwicklung hinterher", sagte Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. Es liege auf der Hand, dass von der EZB ein klares Signal des Gegensteuerns kommen müsse. "Die EZB sollte im September um 75 Basispunkte erhöhen." Auch Jörg Krämer, Chefökonom der Commerzbank, fordert dies: "Sie sollte dem Beispiel der US-Notenbank folgen und ihre Leitzinsen am kommenden Donnerstag um 0,75 Prozentpunkte erhöhen."

Inflation im Euro-Raum

Die EZB hatte im Juli im Kampf gegen die Inflation die Zinswende eingeleitet. Sie hob dabei die Schlüsselsätze - anders als vorher in Aussicht gestellt - um kräftige 0,50 Prozentpunkte an. Der Leitzins liegt damit aktuell bei 0,50 Prozent. Es war die erste Zinsanhebung seit über elf Jahren. Seitdem haben sich die Inflationsaussichten weiter verschlechtert. Nach Einschätzung vieler Ökonomen könnte die Inflation im Euro-Raum in den kommenden Monaten sogar auf über zehn Prozent steigen.

Hinter dem abermaligen Inflationsschub im August stehen vor allem gestiegene Energiepreise in Folge des Ukraine-Kriegs. Energie verteuerte sich binnen Jahresfrist um 38,3 Prozent. Im Juli lag die Zuwachsrate allerdings noch bei 39,6 Prozent. Für Lebensmittel, Alkohol und Tabak mussten Verbraucher einen Kostenanstieg von 10,6 Prozent verkraften. Industriegüter ohne Energie verteuerten sich um 5,0 Prozent, Dienstleistungen um 3,8 von 3,7 Prozent.

Nagel fordert kräftigen Zinsschritt

Bundesbank-Präsident Joachim Nagel fordert angesichts der Rekordinflation ein energisches Gegensteuern der EZB. "Wir brauchen im September eine kräftige Zinsanhebung", erklärte er. Es sei es dringend notwendig, dass die EZB auf der September-Sitzung entschlossen handele. "Andernfalls könnten sich die Inflationserwartungen dauerhaft über unserer Zielmarke von zwei Prozent festsetzen." Estlands Notenbankchef Madis Müller und der Notenbank-Gouverneur der Niederlande, Klaas Knot, hatten sich bereits am Dienstag dafür ausgesprochen, auch einen Zinsschritt von 0,75 Prozentpunkten zu diskutieren. Am Wochenende hatten EZB-Direktorin Isabel Schnabel und Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau auf dem Geldpolitik-Symposium der US-Notenbank in Jackson Hole für kraftvolle und signifikante Schritte argumentiert.

Damit dürfte kommende Woche auf der Zinssitzung eine Entscheidung zwischen einer Anhabung um 0,5 oder 0,75 Prozentpunkten anstehen. An den Börsen sind 0,50 Prozentpunkte bereits fest in den Kursen eingerechnet, wobei auch einem noch größeren Schritt eine hohe Wahrscheinlichkeit eingeräumt wird.

(Reuters)