Das Ereignis der ablaufenden Schweizer Börsen-Woche war ganz klar der abrupte Rücktritt von Boris Collardi als CEO von Julius Bär. Er wechselt auf Mitte nächstes Jahr zum Bär-Konkurrenten Pictet. Die Bär-Aktie verlor am Dienstag nach Bekanntwerden des Wechsels gleich mal 6 Prozent.

"Offensichtlich wurde der Verwaltungsrat von Julius Bär von diesem Ereignis komplett überrascht. Das ist nicht gut", sagt Remo Rosenau, Leiter Research bei der Neuen Helvetischen Bank, im cash-Börsen-Talk. Denn eine der Hauptaufgaben für den Verwaltungsrat sei eine Nachfolgeplanung für den CEO - was bei Bär offensichtlich nicht genügend in die Hand genommen worden war. Der Verwaltungsrat von Julius Bär hat Collardi-Stellvertreter Bernhard Hodler vorerst zum Nachfolger ernannt. Dennoch hinterlasse das CEO-Wechsel Unsicherheit unter den Investoren, und "deshalb ist die Kursreaktion bei der Bär-Aktie verständlich", sagt Rosenau. 

Die Aktie von Julius Bär legte unter Boris Collardis "Regentschaft" als CEO vom Herbst 2009 bis zu seinem Abtritt rund 50 Prozent zu. Allerdings profitierte die Aktie auch vom generellen Aufschwung der Börsen, andere Bankaktien performten gar viel besser. So stieg der Titel des Bär-Konkurrenten Vontobel im gleichen "Collardi-Zeitraum" 75 Prozent. 

Die Unsicherheit rund um Bär führt auch dazu, dass wieder Übernahmespekulationen um die Privatbank aufkommen. Als möglicher Käufer wird seit Jahren immer mal wieder die Credit Suisse ins Spiel gebracht. "Nichts ist unmöglich", sagt Rosenau zu diesem Thema, "aber es ist nicht die allerwahrscheinlichste Variante." Denn Julius Bär sei bezüglich Übernahmepreis kein Schnäppchen mehr, und die Credit Suisse ihrerseits käme bei einer Bär-Übernahme nicht um eine weitere Kapitalerhöhung herum. Rosenaus Fazit zur Bär-Aktie: Abwarten.

SMI mit einer Performance von bis zu 8 Prozent im 2018

Bei den anderen Akien aus dem Swiss Market Index (SMI) empfiehlt Rosenau - wie schon bei seinem letzten Besuch im cash-Börsen-Talk im Juni  2017 - die Aktien von Nischenplayern: Die des Warenprüfers SGS und die des Duftstoffherstellers Givaudan, obwohl letztere in den letzten drei Monaten bisweilen 20 Prozent zugelegt hat.

Rosenau gibt zu, dass Givaudan ein relativ teurer Titel ist, aber: "Gute Aktien bleiben in der Regel gute Aktien." Er ist überzeugt, dass SGS, Givaudan wie auch Lonza (die beste Aktie des SMI in diesem Jahr mit einem Plus von 56 Prozent) auch in den nächsten zwei bis drei Jahren "Mehrwert bringen werden" - hauptsächlich wegen des weltweiten konjunkurellen Aufschwungs. An der Kauf-Empfehlung von Anfang Juni hält Rosenau auch bei der Aktie des Verpackungsmaschinenherstellers Bobst fest. Sie hat seither 27 Prozent zugelegt.

Generell befinden sich die Börsen derzeit in einem sehr robusten Zustand. Die Aktienmärkte in den USA eilen von Rekord zu Rekord zu Rekord, der SMI, der in diesem Jahr überdurchschnittliche 14 Prozent zugelegt hat, befindet sich immer noch nahe Jahreshöchststand.

Es spricht einiges dafür, dass die Aktienmärkte das positive Momentum bis weit ins nächste Jahr tragen können, vor allem in Europa. Die Eurozone verzeichnet zum ersten Mal seit der Finanzkrise wieder einen richtigen Wirtschaftsaufschwung, dieser macht sich seit Mitte 2016 bemerkbar. "Von der konjukturellen Seite haben wir Rückenwind, das sollte Support geben für die Börsen. Es setzt Gewinnwachstum ein, und mit diesem Wachstum gehen auch die Bewertungen bei den Aktien zurück", sagt Rosenau. 

Dass der SMI im nächsten Jahr wohl nicht an die Leistung des Jahrgangs 2017 herankommen wird, liegt laut Rosenau an zwei Faktoren: "Es entstehen sicher Ängste wegen anziehender Inflation und damit höheren Zinsen", sagt der Analyst. Ebenso werde das Rückfahren der Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank zu Unsicherheiten führen. Dennoch rechnet Rosenau mit einer SMI-Performance im nächsten Jahr zwischen 5 bis 8 Prozent.

Im cash-Börsen-Talk äussert sich Remo Rosenau auch zu Leonteq ("keine Aktie für Witwen und Waisen wie etwa Nestlé").