Den richtigen Einstiegszeitpunkt trifft man erfahrungsgemäss kaum, und Aktien werfen pro Jahr 7 Prozent Rendite ab. So lauten landläufige Vorstellungen. Besonders letztere ist offenbar allzu holzschnittartig und wird durch eine Untersuchung der US-Grossbank JPMorgan ins Wanken gebracht.
Der Erhebung zufolge gibt es durchaus mehr oder weniger günstige Einstiegsmomente - und die Bewertung in diesem Zeitpunkt bestimmt massgeblich, ob die Erträge der folgenden zehn Jahre besonders üppig sind und bisweilen im zweistelligen Prozentbereich liegen oder ob sie gegen null Prozent gegen.
Die Experten der amerikanischen Grossbank haben den Zusammenhang zwischen dem prognostizierten Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des S&P 500 und den folgenden Zehn-Jahres-Erträge untersucht. Der Befund: Je tiefer das KGV im Einstiegszeitpunkt, desto höher die Rendite; und je höher das KVG im Kaufzeitpunkt, desto tiefer die Rendite in der folgenden Dekade. Der Zusammenhang ist eng; in den Daten, die bis 1988 zurückreichen, gibt es praktisch keine Ausreisser.
Speziell: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis des S&P 500 liegt aktuell bei 22,7 und damit deutlich über dem langjährigen Durchschnitt von 16,5. Diese Bewertung deutet laut der JPMorgan-Studie auf Renditen der kommenden zehn Jahre von null Prozent hin. «Wer zu den heutigen Bewertungen in den S&P 500 investiert, sollte sich auf minimale, eventuell sogar negative Renditen einstellen», kommentiert Finanzexperte Achim Teske das Ergebnis.
Gerade die grossen amerikanischen Technologiewerte sind gegenwärtig teuer, wie folgende Tabelle zeigt:
Aktie | Prognostiziertes KGV |
---|---|
Alphabet | 24,9 |
Amazon | 32,7 |
Apple | 34,8 |
Meta | 26,6 |
Microsoft | 32,5 |
Nvidia | 39,4 |
Tesla | 243,2 |
Bewertung der «Magnificent 7», der sieben grossen US-Technologiewerte. Quelle: Bloomberg.
Wesentlicher Treiber von Aktien wie Nvidia ist die Künstliche Intelligenz (KI) beziehungsweise die Erwartungen an diese Technologie. Diese Erwartungen seien «mittlerweile übertrieben», sagt Matthias Geissbühler, Anlagechef von Raiffeisen, im Wirtschaftsmagazin «Bilanz». Nvidia sei an der Börse 4200 Milliarden Dollar wert - der Marktwert aller kotierten Schweizer Aktien sei nicht einmal halb so hoch. «Dabei ist klar, dass die Wachstumsraten von Nvidia nach unten kommen müssen: Irgendwann sind alle Rechenzentren gebaut», so Geissbühler.
MSCI World: Hohe Gewichtung von Technologieaktien
Der ernüchternd klingende Befund zum amerikanischen Aktienmarkt, lässt sich auf ein unter Anlegern verbreitetes Investment übertragen: Den MSCI World Index. Pro forma enthält er 1320 Unternehmen aus 23 Industrieländern. De facto machen die «Magnificent 7» - die Aktie von Apple, Microsoft, Nvidia und Co. - mehr als einen Fünftel des Gesamtindex aus. Hinzu kommen als Top-Positionen Broadcom, ein weiterer Tech-Wert, und JPMorgan.
Das Schwergewicht des als global diversifiziert geltenden Aktienindex liegt demnach auf einem Sektor und einer Weltregion. «Viele Anleger beruhigen sich damit, dass sie im MSCI World investiert sind. Klingt nach breiter Sicherheit, ist aber eine Illusion», schreibt Finanzexperte Teske.
Man kann sich fragen, ob sich eine Blase bildet oder schon gebildet hat. Die Antwort dürfte nicht messerscharf ausfallen. Klarer ist: Die Unternehmen stecken Milliarden Dollar in KI-Infrastruktur, etwa in Rechenzentren. Daraus werden sie früher oder später Umsätze und Gewinne einfahren - oder andernfalls die Geduld der Anleger auf die Probe stellen.