Viele Marktexperten rechnen in den USA und in der Eurozone mit einer Rezession. Dem Wirtschaftsabschwung wird sich in einem solchem Fall auch die Schweiz und der Schweizer Aktienmarkt nicht entziehen können - allerdings weniger stark als andere Börsenplätze, schreibt die Bank Bantleon in einer Mitteilung. Dies unter anderem wegen der geringeren Abhängigkeit vom Gas als Energieträger, des tieferen Stromkostenanstiegs und der geringeren Inflation.

Wie sollen sich Anlegerinnen und Anleger in einem Rezessionsszenario positionieren? Dies hänge im wesentlichen von der Sensitivität für steigende und fallende Inflations- und Zinserwartungen ab. Bantleon hat unter diesem Gesichtspunkt die 50 grössten Schweizer Aktien untersucht. Generell stehe der Schweizer Aktienmarkt angesichts einer solchen möglichne Ausgangslage nicht schlecht da: "Wird das
Wirtschaftswachstum durch steigende Zinsen gebremst, können Aktien, welche von fallender Inflation profitieren, sowie krisenfeste Sektoren sich besser entwickeln als andere Aktien", schreibt Frederik Bröker, Portfolio-Manager Aktie bei Bantleon. 

Die Schweiz sei in einer besonderen Situation, da die beiden mit Abstand grössten Sektoren defensiv sind, nämlich der Gesundheitssektor und die Basiskonsumgüter. Die drei Giganten dieser Sektoren – Nestlé, Roche und Novartis – erreichen gemeinsam schon knapp 50 Prozent der Marktkapitalisierung. Diese defensive Ausrichtung habe allerdings dazu geführt, dass der Schweizer Aktienmarkt von der jüngsten Januar-Rally nicht im gleichen Masse profitiert hat wie andere europäische Aktienmärkte.

"Sobald die Weltwirtschaft wieder abkühlt, was im weiteren Verlauf des Jahres 2023 zu erwarten ist, dürfte der Schweizer Aktienmarkt wieder von seiner defensiven Ausrichtung profitieren und sich besser entwickeln als der breite europäische Aktienmarkt", so Bröker. 

Gesundheitswesen als klarer Gewinner

Bantleon sieht das Gesundheitswesen als Sektor und bei Einzeltiteln im Jahr 2023 als klare Gewinner, weil Konsumenten und Konsumentinnen in Industriestaaten zuletzt an der Gesundheit sparen und Aktien aus dem Gesundheitswesen positiv auf fallende Inflationsraten reagieren. 

"Schweizer Investoren denken bei diesem Sektor schnell an Roche und Novartis, aber hier ist aktuell Vorsicht geboten", so Bröker. Die  Alzheimermedikamente von Roche hätten in den jüngsten klinischen Studien enttäuscht. Zudem klinge der Rückenwind der Corona-Pandemie aus. Novartis habe ebenfalls mit Problemen zu kämpfen: Einige Patente liefen aus, und der Erlös des geplanten Spin-offs der Generikasparte Sandoz im 2. Halbjahr 2023 müsse erfolgreich reinvestiert werden.

Als Alternative zu den beiden Pharmagiganten sieht Bantleon Galenica. Der Apothekenbetreiber habe bereits in den Resultaten für das erste Halbjahr 2022 auf die positive Auswirkung der starken Grippewelle hingewiesen. Auch Anfang dieses Jahres dürften die Verkäufe rezeptfreier Medikamente die Erwartungen übertreffen. Galenica, die 99 Prozent der Erträge in der Schweiz erzielt, profitiere insgesamt von der Aufhebung Corona-bedingter Massnahmen.

UBS als Favoritin im Finanzsektor

Den Schweizer Finanzsektor will Bantleon "nicht pauschal übergewichten", aber Einzeltitel dürften sich auch 2023 gut entwickeln. Bei den Versicherern hätten Zurich Insurance und Helvetia von den steigenden Zinsen profitiert, während Swiss Re stark unter den Lebensversicherungsauszahlungen infolge der Corona-Pandemie gelitten habe. Auch die Naturkatastrophen des vergangenen Jahres hätten zu der schlechten Performance des Rückversicherers beigetragen, "und es ist gut möglich, dass solche Naturkatastrophen künftig vermehrt auftreten.

"Unter den Banken sehen wir die UBS am besten positioniert. Die Bank hat überdurchschnittlich von den Zinserhöhungen profitiert und ein deutlich solideres Risikomanagement implementiert als die Credit Suisse", so Bröker von Bantleon weiter. Zudem könnten Anleger in der Schweizer Finanzbranche, vor allem aber bei den Versicherern, auch weiterhin relativ hohe Dividenden erwarten.

Im Basiskonsumgütersektor schätzt Bantleon die Nestlé-Aktie im Vergleich zu den europäischen Wettbewerbern als relativ teuer ein. Das Forward-Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt bei 21.5 (Vergleich: Danone: 14.6, Kraft Heinz: 14.1). Dieses erhöhte Kurs-Gewinn-Verhältnis sei zum Teil Folge der hohen Krisenresistenz des Wertpapiers. Daher sollte sich die Nestlé-Aktie auch im schwierigen Umfeld der nächsten Monate gut behaupten können, so Bantleon. Zudem habe Nestlé eine äusserst starke Bilanz, die Barmittelreserven seien hoch, und die Höhe der Schulden seien im Vergleich zum Umlaufvermögen überschaubar.

Schweizer Immobilienunternehmen können externe Schocks besser verkraften

Die Immobilienunternehmen schliesslich sind laut der Bank Bantleon keine klassische Wahl bei einem Wirtschaftsabschwung, "aber genau solche Firmen sind hierzulande besser positioniert als ihre Pendants im Ausland", heisst es in der Mitteilung weiter. "Swiss Prime Site und PSP Swiss Property dürften im von uns prognostizierten Szenario relativ gut dastehen." 

Die Leituinsanhebungen der Schweizerischen Nationalbank seien in den aktuellen Aktienkursen der beiden Unternehmen bereits eingepreist. Bantleon erwartet im März 2023 nur noch einen kleinen Schritt um 25 Basispunkte. Die Immobilienbewertungen fallen zwar in der Regel bei Zinserhöhungen. "Einen Rückgang von über 20 Prozent, wie teilweise für Schweden und England prognostiziert, erwarten wir in der Schweiz aber nicht", so Bröker.

Sowohl Swiss Prime Site als auch PSP Swiss Property hätten einen äusserst niedrigen Beta-Faktor von jeweils etwa 0.73. Sollte der breite Schweizer Aktienmarkt um 1 Prozent fallen, dann dürften die Kurse dieser beiden Aktien im Schnitt nur um jeweils 0.73 Prozent nachgeben, so die Rechnung. Zudem haben beide Firmen ein rein schweizerisches Immobilienportfolio.

"Dies wird vor allem von Vorteil sein, wenn die EU und die USA in eine Rezession rutschen, die Schweiz aber hiervon verschont bleibt", heisst es in der Mitteilung. Schweizer Immobilienunternehmen seien deutlich stärker von der Binnenwirtschaft abhängig und könnten externe Schocks besser verkraften. Der Leerstand sei bei Swiss Prime Site und PSP Swiss Property zudem sehr gering, und dank der robusten
Schweizer Wirtschaft sei nicht mit grösseren Ausfällen zu rechnen.

(cash)