Nach der Einigung der EU-Länder über Schritte zur dauerhaften Festsetzung russischen Vermögens in Europa hat die Zentralbank in Moskau die belgische Firma Euroclear verklagt, die den Grossteil des Geldes verwaltet. Die Klage hänge mit den illegalen und verlustbringenden Handlungen des Depotverwalters Euroclear, aber auch mit den nun offiziell von der EU-Kommission erwogenen Mechanismen zur Nutzung russischen Vermögens zusammen, teilte die Zentralbank auf ihrer Webseite mit. Das Verfahren soll vor einem Moskauer Schiedsgericht laufen.

Das Vorgehen wird von Experten als erster Schritt Russlands gesehen, um Gegenmassnahmen gegen noch vorhandenes europäisches Kapital im eigenen Land zu ergreifen. Die genaue Höhe der Forderungen bezifferte die russische Zentralbank nicht. Ihren Angaben zufolge setzt sich der Schaden aus dem Wert der eingefrorenen Mittel und Aktien sowie des entgangenen Gewinns zusammen.

Deutschland und andere EU-Staaten hatten sich am Donnerstag darauf verständigt, per Mehrheitsentscheidung eine rechtliche Grundlage zur Nutzung von russischem Staatsvermögen für die Ukraine zu schaffen. Demnach soll in einem ersten Schritt beschlossen werden, eine Rückübertragung von in der EU festgesetzten Mitteln nach Russland unbefristet zu verbieten, wie die dänische EU-Ratspräsidentschaft mitteilte.

210 Milliarden Euro an russischen Vermögenswerten in der EU

Euroclear ist ein Anbieter von Finanzdienstleistungen mit Sitz in Brüssel. Auf den Euroclear-Depots sind etwa 185 der insgesamt 210 Milliarden Euro an russischen Vermögenswerten in der EU gelagert. Russland hat wegen des 2022 von Kremlchef Wladimir Putin befohlenen Angriffskriegs auf die Ukraine keinen Zugriff auf die Mittel.

Der Chef des Finanzausschusses im russischen Parlament, Anatoli Aksakow, sagte voraus, dass die Zentralbank den Prozess gewinnen werde. Dmitri Grigorijani vom russischen Stolypin-Wirtschaftsinstitut fügte hinzu: «Vor Gericht zu gewinnen, ist aber nur die halbe Miete, man muss das Geld auch bekommen.»

Grigorijanis Angaben nach gibt es Euroclear-Vermögen in Russland. Das Geld liege jedoch vor allem auf gesperrten Konten. Über die Höhe machte er keine Angaben, Medienberichten zufolge sind es knapp 16 Milliarden Euro.

In Russland ist weiterhin europäisches Kapital aktiv, allein aus Deutschland soll es ein dreistelliger Milliardenbetrag sein. Moskau hat nach Beginn des Kriegs gegen die Ukraine mit scharfen Kontrollmassnahmen den Abfluss westlicher Investitionen eingeschränkt. So konnten Unternehmer aus dem sogenannten «unfreundlichen Ausland» ihre Betriebe nur zu Preisen weit unter Marktwert verkaufen.

Orban springt Moskau zur Seite

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, der ein besonderes Näheverhältnis zum Kreml pflegt, kritisierte indes mit scharfen Worten das Vorhaben der EU, russische Gelder in Europa dauerhaft festzusetzen. «Mit der heutigen Entscheidung endet in der Europäischen Union die Rechtsstaatlichkeit», schrieb der konservative Politiker am Morgen auf seiner Facebook-Seite. «Am heutigen Tag überschreiten die Brüsseler den Rubikon», fügte er hinzu.

Die diesbezügliche EU-Verordnung soll formell in einem schriftlichen Verfahren angenommen werden, das an diesem Freitag um 17.00 Uhr endet. Für die Annahme reicht eine qualifizierte Mehrheit. Anders als bei den bisherigen Sanktionsbeschlüssen haben dabei einzelne Mitgliedsländer wie Ungarn kein Vetorecht. «Damit tritt in der EU an die Stelle der Herrschaft des Rechts die Herrschaft der Bürokraten, das heisst, die Brüsseler Diktatur ist errichtet», schrieb Orban in seinem Facebook-Posting.

(AWP)