Ex-Präsident Dmitri Medwedew schrieb am Dienstag auf dem Kurznachrichtendienst Telegram, sein Land habe das Recht, sich im Zweifel mit Atomwaffen zu verteidigen. Erwartet wird, dass Russlands Präsident Wladimir Putin schon am Freitag Teile der Regionen Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja zu russischem Staatsgebiet erklären könnte. Dann wäre die ukrainische Offensive zur weiteren Rückeroberung ihrer Gebiete in Augen Moskaus ein Angriff auf Russland.

"Angenommen, Russland ist gezwungen, die fürchterlichste Waffe gegen das ukrainische Regime einzusetzen, das eine schwere Aggression begangen hat, die für die Existenz unseres Staates gefährlich ist", schrieb Medwedew. "Ich glaube, dass sich die Nato auch in dem Fall nicht direkt in den Konflikt einmischen würde. (...) Die Demagogen jenseits des Ozeans und in Europa werden nicht in einer nuklearen Apokalypse sterben." Medwedew, stellvertretender Vorsitzender des russischen Sicherheitsrates, betonte: "Russland hat das Recht, Atomwaffen einzusetzen, wenn es nötig ist." Dies sei "sicher kein Bluff". Ähnlich hatte sich vor einigen Tagen auch Putin geäussert.

Am Dienstag gehen in den vier ukrainischen Regionen die Abstimmungen zu Ende, die von der Regierung in Kiew und dem Westen als "Schein-Referenden" bezeichnet werden. Ähnlich wie im Fall der von Russland 2014 annektierten ukrainischen Halbinsel Krim würde das Vorgehen Moskaus völkerrechtlich nicht anerkannt. Vielfach kam es während der insgesamt fünftägigen Voten zu Berichten, wonach eine geheime und freie Stimmabgabe nicht möglich war. Zu sehen waren etwa gläserne Urnen, Menschen wurden teils mit Gewalt zur Abgabe ihrer Stimme gezwungen. Viele Ukrainer, die in den besetzten Gebieten leben, ergriffen die Flucht, insofern ihnen dies möglich war.

«Wir haben Listen»

Das britische Verteidigungsministerium verwies darauf, dass Putin am Freitag eine Rede vor beiden Kammern des Moskauer Parlaments angesetzt habe. Dann könne er formell die Aufnahme der besetzten ukrainischen Gebiete in die Russische Föderation bekanntgeben. Dafür bestehe eine "realistische Möglichkeit", hiess es im täglichen Lagebericht des Ministeriums, der sich auf Erkenntnisse des britischen Militärgeheimdienstes stützt. Keine der vier Regionen ist allerdings unter vollständiger Kontrolle der russischen Streitkräfte, was die Lage noch weiter verkomplizieren könnte.

Der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak sagte in einem Interview mit der Schweizer Zeitung "Blick", die Regierung bereite sich auf einen russischen Angriff mit Nuklearwaffen vor. Es liege aber vor allem in der Hand der Atommächte, die Regierung in Moskau von einem solchen Schritt abzuschrecken. Zugleich kündigte er an, dass Ukrainer, die die Russen bei den Referenden unterstützt hätten, wegen Hochverrats vor Gericht kämen. Ihnen drohe eine Haftstrafe von mindestens fünf Jahren. "Wir haben Listen mit Namen von Leuten, die darin irgendwie verwickelt waren", sagte Podoljak.

(Reuters)