Nordmazedonien stehe an einer "Wegscheide", sagt Annalena Baerbock kürzlich in der Hauptstadt Skopje. Und es gebe eben diese Momente, nicht nur im Leben, sondern auch in der Politik, in denen "es darauf ankommt, mutig in die richtige Richtung zu gehen".

Diese Erkenntnis gilt dieser Tage nicht nur für das kleine Land auf dem Westbalkan. Sie gilt für alle Länder der Region, die noch nicht Mitglied der Europäischen Union sind. Und im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gilt diese Erkenntnis vor allem auch für Georgien, das die deutsche Aussenministerin letzte Woche erstmals in ihrer Amtszeit besuchte.

Es geht zunehmend um die Frage, ob sich die Staaten des westlichen Balkans, aber auch die Ukraine, Moldau und Georgien institutionell über die Nato und die Europäische Union an den Westen binden. Oder ob sie sich aus Sicht des Westens in einer Art blockfreiem Status den Fängen Russlands ausliefern.

Im Fall der Ukraine, aber auch Moldaus und den meisten Balkan-Staaten mit Ausnahme wohl von Serbien dürfte diese Entscheidung gegen Russland gefallen sein - wenn sie das Selbstbestimmungsrecht der Völker ausüben dürfen. Bei Georgien gibt es nach wie vor einige Zweifel, zumindest was die politische Klasse betrifft, die nach wie vor von oligarichischen Strukturen beeinflusst wird.

Georgien strebt den Beitritt zur EU, aber...

"Wir sehen die Versuche, das Land von dem pro-europäischen Kurs abzubringen, für den die überwältigende Mehrheit der Georgierinnen und Georgier eintritt", sagte Baerbock vor ihren Gesprächen in Tiflis. Zuletzt hatte es in der Hauptstadt zum Teil heftige Proteste gegen ein Gesetz gegeben, das nach Ansicht vieler Kritiker Medien und Nichtregierungsorganisationen ähnlich wie in Russland stark eingeschränkt hätte.

Das Parlament lehnte den Entwurf für das sogenannte Agenten-Gesetz schliesslich ab. Baerbock bezeichnete dies bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem georgischen Aussenminister Ilia Dartschiaschwili als ein Zeichen der Stärke.

Georgien strebt den Beitritt zur EU an, ist anders als die Ukraine und Moldau aber noch kein offizieller Kandidat, sondern hatte vom EU-Gipfel vergangenen Sommer lediglich eine Perspektive für diesen Status eingeräumt bekommen. Die EU-Kommission hat parallel dazu zwölf Reformen formuliert, die das Land für eine weitere Annäherung an die Union vollziehen muss.

Dazu gehören etwa eine Garantie für Rechtstaatlichkeit und Pressefreiheit, aber auch ein entschiedeneres Vorgehen gegen Korruption und den Einfluss von Oligarchen auf die Politik. Bis zum Herbst will die EU-Kommission eine erste Bewertung vorlegen, dann soll über das weitere Vorgehen entschieden werden.

Wiederaufnahme der Direktflüge von Tiflis nach Moskau?

Dartschiaschwili zeigte sich entschlossen, die Reformen umzusetzen. Nach aussen hin gibt sich die Regierung unzweideutig EU- und Nato-freundlich. Aber innerhalb der Zivilgesellschaft scheint es zunehmend zu brodeln, wie Organisationen dem Vernehmen nach berichten.

Dabei sind die Ziele, die die Regierung in Tiflis eigentlich verfolgt, unklar. So gibt es bereits Berichte, dass die Wiederaufnahme der Direktflüge von Tiflis nach Moskau im Gespräch sei. Die Frage, ob dies zutreffe, beantwortete der Außenminister am Freitag nicht.

Baerbock bemüht sich indes zu betonen: "Der Weg in die EU lohnt sich, und er verdient jede Anstrengung". Und "ja, die EU ist manchmal anstrengend, und Demokratie ist manchmal anstrengend." Aber es sei eben so, dass Kompromisse in einer Demokratie "jede Mühe wert sind, weil sie unser bester Schutz dafür sind, dass wir und vor allen Dingen dass unsere Kinder auch in Zukunft in Frieden und in Freiheit leben können."

Nordmazedonien ist einen langen Weg in diese Richtung gegangen und hat viele Kompromisse hingenommen - das Land änderte auf Druck des EU-Mitglieds Griechenland seinen Namen und seine Nationalflagge und soll jetzt auf Druck des EU-Mitglieds Bulgarien seine Verfassung ergänzen.

Der nordmazedonische Aussenminister Bujar Osmani zeigt sich jedenfalls erfreut über Baerbocks Signale. "Nie hatte ich mehr Vertrauen in die Glaubwürdigkeit als jetzt", sagt er nach dem Treffen mit seiner deutschen Kollegin. Das, was Baerbock bei ihrem Besuch in Skopje gesagt habe, "diese Worte wird jeder in Nordmazedonien hören".

Osmani schliesst, Deutschland sei "ein Beschützer, ein Schutzschild, wir sehen das auch in der EU".

(Reuters)