Anzeigenkampagnen, Wohnungsbau für neue Mitarbeiter oder kostenlose Mahlzeiten für pensionierte Beschäftigte: Waffenhersteller in Polen und Tschechien lassen sich einiges einfallen, um neue Arbeitskräfte zu gewinnen. Der Bedarf ist wegen des Kriegs in der Ukraine und den gestiegenen Rüstungsaufträgen gross, doch Facharbeiter fehlen.

Die Branche in der Region erfährt gerade einen Boom, wie sie ihn seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr erlebt hat. Zugleich liegen die Arbeitslosenzahlen in Tschechien und Polen mit 2,7 Prozent deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 5,9 Prozent, wie aus den Eurostat-Daten für Juni hervorgeht. Das bekommen auch die Waffenproduzenten zu spüren, die auf der Suche nach Fachkräften sind.

Fachkräftemangel

Während die Nachfrage stetig steigt, kommen die Unternehmen wegen fehlender Mitarbeiter nicht mit der Produktion hinterher. Tschechien habe eine alternde Bevölkerung und es rücke nicht genügend Nachwuchs von den Universitäten nach, klagt Jiri Hynek, Präsident und Geschäftsführer des tschechischen Verbandes der Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie DSIA. "Wir brauchen Wachstum, aber wir können nirgendwoher Arbeitskräfte nehmen." Mit genügend Beschäftigten und Material könnten die Unternehmen ihre Produktion um bis zu 20 Prozent steigern, schätzt Hynek.

Dabei setzen sich Rüstungskonzerne keine kreativen Grenzen, wenn es darum geht, neue Mitarbeiter anzuwerben und alte Beschäftigte an die Werkbank zurückzuholen. Der tschechische Munitionshersteller STV Group werde auf eigene Kosten Wohnungen für neue Arbeitskräfte bauen, kündigte Konzernchef David Hac an. Das Unternehmen habe auch damit begonnen, pensionierten Mitarbeitern gratis Mahlzeiten in der Kantine anzubieten. Ihr Wissen ist gefragt, weil die Produktion für Munition aus der Sowjetära kürzlich wieder in Betrieb genommen wurde. Diese wird vor allem an die Ukraine geliefert, dessen Streitkräfte mit alten Gerät kämpft. Allein 40 Prozent aller tschechischen Ausfuhren von Militärgütern gehen in die Ukraine.

Auch im Nachbarland Polen, das direkt an die Ukraine grenzt, sorgt der steigende Rüstungsbedarf für neue Ansätze: "Mit dem Anstieg der Aufträge mussten wir das Produktionssystem ändern", resümiert ein Sprecher des polnischen Militärtechnikunternehmens WB Group, das seit vergangenem Jahr in grösserem Umfang Frauen an Fliessbändern einstellt, an denen zuvor hauptsächlich Männer arbeiteten.

Anzeigenkampagnen zur Abwerbung

In den letzten Jahren hatten es auch andere Branchen in Polen und Tschechien schwer, Arbeitskräfte zu finden. Das hat die Arbeitskosten in die Höhe schnellen lassen und das Wachstum gedämpft. Für die Rüstungsindustrie ist dies jedoch ein neues Problem. In Polen beispielsweise schrumpfte die Anzahl der Beschäftigten in dem Sektor zwischen Mitte der 1980er Jahre bis 2000 um drei Viertel, wie aus Daten des Stockholm International Peace Research Institute hervorgeht.

Der polnische Staatskonzern PGZ wirbt deshalb in den sozialen Medien gezielt um Mitarbeiter aus verschiedenen Branchen, wie Personalchef Artur Zaborek gegenüber Reuters erläutert. Das Unternehmen beschäftigt mehr als 18.000 Mitarbeiter und kontrolliert Dutzende von Firmen. "Die geopolitische Lage hat zu den grössten Rüstungsprojekten in der Geschichte der Gruppe geführt", sagt er. Die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften sei dramatisch gestiegen. Für das kommende Jahr sei eine Kampagne geplant, die polnische Arbeiter in skandinavischen Werften überzeugen soll, in ihre Heimat zurückzukehren und Schiffe für die polnische Marine zu bauen.

(Reuters)