Der langjährige Chef des Staatskonzerns Deutsche Bahn, Richard Lutz, soll gehen. Wird der Nachfolger in der Lage sein, mit den zur Verfügung stehenden zusätzlichen Geldern die Weichen richtig zu stellen? Experten sind skeptisch, auch weil der Bund als Eigentümer keine passende Strategie hat. Das soll sich am 22. September ändern. Dann will CDU-Politiker Schnieder seine Pläne für die Reform der Bahn vorstellen. Die wichtigsten Fragen im Überblick:

1) Wie ist die Lage genau?

Die chronische Unpünktlichkeit der Bahn zerrt mittlerweile sogar am Ruf Deutschlands und gilt für manche als Beleg für ein Staatsversagen. Tatsächlich geht der Trend in die falsche Richtung. Im Fernverkehr erreichten im Juli 59,4 Prozent der Reisenden ihr Ziel pünktlich, wobei für die Statistik eine Verspätung von bis zu sechs Minuten als pünktlich gewertet wird. Zum Vergleich: Im Juli 2024 waren es 67,2 Prozent. Das Bahn-Management verweist auf das über Jahrzehnte vernachlässigte Schienennetz und Bauarbeiten, um die Infrastruktur zu verbessern. Die eigenen Ziele zur Pünktlichkeit erreicht der Konzern nicht. Ausserdem schreibt das Unternehmen operativ weiter rote Zahlen.

2) Welchen Anteil hat die Bahn selbst?

Einen grossen. Etwa 90 Prozent beträgt der Marktanteil der DB im Fernverkehr. Wie das Netz ist die Ausstattung der Züge nicht mehr auf dem neuesten Stand. Bahnexperte Markus Hecht von der Technischen Universität Berlin verweist auf viele sogenannte Primärverspätungen - wegen Problemen mit Signalen, Weichen, Stellwerken, aber auch den Türen und Bremsen der Züge. Wegen der engen Taktung des Fahrplans und unterschiedlicher Geschwindigkeiten von ICEs sowie Güter- und Regionalzügen kommt es immer wieder zu einer Lawine im System und Folgeverspätungen bei anderen Zügen. «Wo ein Zug ist, kann kein anderer sein», sagt Hecht.

Die Bahn kann vieles selbst verbessern. Gernot Liedtke vom Institut für Verkehrsforschung wünscht sich mehr Wartungen. Es brauche Puffer - schnell verfügbare Ersatzzüge bei Problemen und auch Personalreserven für die Dienstpläne. Ausserdem sollten bei der Sanierung von Strecken neue Überholmöglichkeiten geschaffen werden. «Das System ist chronisch instabil.» Dazu trägt auch bei, dass es seit den 90er Jahren viel stärker genutzt wird.

3) Was plant der Bund?

In ihrer Amtszeit bis 2029 will die Bundesregierung die Infrastruktur mit 166 Milliarden Euro modernisieren. Knapp 107 Milliarden Euro davon sind für die Schiene vorgesehen, fast 52 Milliarden für Bundesstrassen und knapp acht Milliarden für Wasserwege. In den Jahren 2020 bis 2024 waren es zusammen 102 Milliarden Euro. Eine wichtige Rolle spielt dabei der neue Infrastruktur-Sondertopf, der gerade aufgesetzt wird. «Das wird spürbar sein, aber es wird natürlich nicht von heute auf morgen wirken», sagte Schnieder in dieser Woche. Er spricht von einem Jahrzehnt der Investitionen. Stück für Stück werde der enorme Investitionsstau abgebaut. Die Bahn solle zuverlässiger, sauberer und pünktlicher werden. Die Grünen kritisieren, dass Schnieder den Aus- und Neubau von Strecken vernachlässige und nur auf den Erhalt des Netzes setze.

4) Wird das Geld helfen?

Sicherlich, aber vermutlich nicht wie jetzt gehofft. Kay Mitusch vom Karlsruher Institut für Technologie sieht den Bund in der Pflicht, das Staatsunternehmen enger zu steuern. Das Geld müsse effizienter eingesetzt werden. Es könne nicht nur darum gehen, mehr Geld zu geben. «Der Bund guckt nicht genau hin.» Er habe keine Vorstellung, was etwas kosten sollte und frage immer nur die DB. «Das ist keine Art, ein grosses Unternehmen zu steuern.» Der Bund brauche selbst mehr Kompetenz, eigene Kostenmodelle zu entwickeln. Dafür könnte die Bundesnetzagentur eingesetzt werden. Bisher habe der Bund das System noch schlechter gemacht. Die Infrastrukturtochter der Bahn bekomme umso mehr Geld, je schlechter es laufe. «Das muss geändert werden.»

Der Ökonom kritisiert, dass die Bahn es gerade versäume, bei den Generalsanierungen vielgenutzter Strecken wie zuletzt Frankfurt-Mannheim oder jetzt Hamburg-Berlin das europäische Zugbeeinflussungssystem ETCS einzubauen. Es ermöglicht, dass Züge Informationen über Geschwindigkeit und Streckenfreigabe direkt im Führerstand erhalten, ohne auf äussere Signale angewiesen zu sein.

5) Wer soll an die Spitze der Bahn rücken?

Das steht noch nicht fest. Wenn es für Schnieder perfekt läuft, kann er Lutz' Nachfolger schon am 22. September mit der neuen Strategie vorstellen. Das gilt aber nicht als sicher. «Es wird hier allein um die Qualifikation gehen», sagt der Verkehrsminister. Er oder sie müsse «logistische Expertise» mitbringen, idealerweise im Güter- und Personenverkehr, sagt Peter Westenberger vom Verband der Güterbahnen. «Sonst wäre die Einarbeitungszeit zu lang. Die Zahl der geeigneten Personen ist auf jeden Fall begrenzt.» Die neue Strategie des Bundes müsse auch den Wettbewerb auf der Schiene erhöhen. Im Güterbereich stehen private Anbieter bereits für 60 Prozent des Marktes.

6) Was sagen die Gewerkschaften?

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft fordert, schnell einen Nachfolger zu finden. «Ein langes Führungsvakuum kann sich niemand leisten», sagt EVG-Chef Martin Burkert. Gefragt seien Bahnerfahrung, Sanierungskompetenz und Durchsetzungsstärke gegenüber der Politik. Die GDL als Vertretung der Lokführer setzt andere Schwerpunkte. Das Verkehrsministerium sollte die Zügel stärker in die Hand nehmen. Ex-GDL-Chef Claus Weselsky plädiert für einen kleineren Konzernvorstand. Die Infrastruktur-Tochter müsse unabhängiger werden. «Trassenpreiserhöhungen dienen nur der Geldbeschaffung des DB-Konzerns. Das muss enden.» Sonst würden die Wettbewerber der DB belastet. 

(Reuters/cash)