Zur Rose ist einer der Schweizer Börsenüberflieger der letzten Jahre. Mit einem Kursplus von 43 Prozent seit Januar ist die Aktie der Versandapotheke auch in diesem Jahr wieder weit oben auf der Liste der hiesigen Gewinner zu finden. Die vielversprechenden Wachstumsaussichten kommen insbesondere in angelsächsischen Kreisen gut an. Es gibt kaum ein Fondsanbieter, der nicht zu den bedeutenden Aktionären zählt und auch kaum ein Analyst, der die Aktie nicht zum Kauf anpreist.

Enttäuschende Umsatzvorgaben und Verzögerungen beim «Break-even»

Doch nun erhält die Investmentthese einen Dämpfer, wartet Zur Rose doch mit einem Zahlenschocker auf. Die Versandapotheke schliesst das Geschäftsjahr 2020 mit einem operativen Verlust in Höhe von 78,4 Millionen Franken ab. Das liegt nicht nur über den von Analysten durchschnittlich erwarteten 45,3 Millionen Franken, sondern selbst über den pessimistischsten Schätzungen.

Und als ob das alleine nicht schon genug wäre, hatte man sich in Expertenkreisen auch von den zukunftsgerichteten Aussagen einiges mehr erhofft. Das Unternehmen selber stellt für dieses Jahr eine Umsatzsteigerung von rund 20 Prozent in Aussicht. Bei der UBS ging man bisweilen von einem Wachstum von 49 Prozent, bei Jefferies gar von 61 Prozent aus. Ausserdem dürfte die operative Gewinnschwelle (EBITDA) etwas später als gedacht erreicht werden.

Dementsprechend unterkühlt reagieren die Anleger. Nach einem frühen Rücksetzer auf 356 Franken verliert die Zur-Rose-Aktie zur Stunde noch 11 Prozent auf 361 Franken.

Die Enttäuschung kommen sah die UBS. Sie warnte erst vor wenigen Wochen vor einer viel zu optimistischen Erwartungshaltung der Anleger und Analysten. Darauf abgestützt stufte die Grossbank die Aktie mit einem 12-Monats-Kursziel von 266 (zuvor 275) Franken von "Neutral" auf "Sell" herunter (der cash Insider berichtete).

Die UBS zeigt sich denn auch nicht sonderlich überrascht vom enttäuschenden Jahresergebnis und warnt auf Basis der diesjährigen Vorgaben vor rückläufigen Markterwartungen. Allerdings gewinnt sie den Aussagen zur Einführung elektronischer Medikamentenverschreibungen in Deutschland positive Aspekte ab. Diese sollten die Kursverluste der Zur-Rose-Aktie etwas mildern.

Wie die Zürcher Kantonalbank festhält, führten vor allem akquisitionsbedingte Kosten sowie Rückstellungen für die kürzlich erlassenen Mehrwertsteuererhöhungen in der EU zu einem höheren Jahresverlust. Sie stuft die Aktie wie bis anhin nur mit "Marktgewichten" ein, liebäugelt bei tieferen Kursen jedoch mit einer möglichen Heraufstufung.

Müssen Banken den dicken Rotstift ansetzen?

Auch Barclays schlägt eher versöhnliche Töne an, was an der "Overweight" lautenden Kaufempfehlung mit einem Kursziel von 442 Franken liegen könnte. Der britischen Grossbank zufolge stehen wiederholte einmalige Kosten erfreulichen Aussagen zur künftigen Absatzentwicklung in Deutschland gegenüber. Ihres Erachtens macht die nicht gerade günstige Bewertung die Aktie verletzlich für Negativnachrichten.

Dennoch würden sich nun selbst die letztjährigen Verlustschätzungen sowie die künftigen Wachstumsannahmen der UBS noch als zu optimistisch erweisen, so Beobachter. Ihres Erachtens sind viele Banken nun gezwungen, ihre Schätzungen mit dem Rotstift zu überarbeiten. Für gewöhnlich bleibt das nicht ohne Folgen für die Aktienkursentwicklung eines Unternehmens.