Der Markt für US-Staatsanleihen erlebte am Donnerstag den schlechtesten Tag seit März 2020. Verantwortlich dafür waren nicht nur die höher als erwartet ausgefallenen US-Inflationszahlen vom September. Als primäres Sorgenkind entpuppte sich die schwache Nachfrage bei einer Anleiheauktion von 30-jährigen Bonds. Die Rendite der 30-jährigen Staatsanleihen stieg um bis zu 19 Basispunkte und lag am Donnerstag im späten Handel um 16 Basispunkte höher. Dies ist der grösste Anstieg seit den Marktturbulenzen, die durch den Ausbruch der Corona-Pandemie ausgelöst wurden, wie eine Auswertung von Gammalab zeigt. 

Die Resultate der 30-Jahres-Auktion folgte auf ähnlich schlechte Ergebnisse für den Verkauf von 3- und 10-jährigen Anleihen zu Beginn der Woche. Diese Kombination verstärkte die Besorgnis über die Kursentwicklung der US-Renditen. Die Anleger dürften wohl weiterhin höhere Renditen bei den Anleihen einfordern, da das ansteigende Budgetdefizit in den USA die Auktionsgrössen in Zukunft weiter in die Höhe treiben wird. Mit 4,70 Prozent liegt die Rendite für 10-jährige Treasury Bonds zwar immer noch fast 25 Basispunkte unter den in der letzten Woche erreichten Mehrjahreshöchstständen, doch der Anstieg schürte Ängste vor einem neuen Meilensteinen: Marktteilnehmer schliessen nicht aus, dass die Rendite in den nächsten Wochen auf 5 Prozent ansteigen könnte.

Die 30-Jahres-Auktion «scheint die Stimmung weiter destabilisiert zu haben», sagten die TD Securities-Strategen Gennadiy Goldberg und Molly McGown gemäss der Nachrichtenagentur Bloomberg. «Sorgen über eine mangelnde Nachfrage nach Staatsanleihen könnten dazu führen, dass die Zinsen ihre jüngsten Höchststände erneut testen, wobei die 10-Jährigen möglicherweise die 5-Prozent-Marke erreichen». Dies war zuletzt 2007 zu beobachten.

Auch die Strategen der Bank of Amerika geben zu bedenken, dass es für eine Entwarnung an den Bondmärkten zu früh ist. «Wir erwarten, dass gehebelte Hedgefonds neben den Long-Positionen von Vermögensverwaltern die Short-Positionen weiter aufstocken.» 

Negativ ins Gewicht fällt zudem, dass die Notenbanken weltweit ihre zumeist aufgeblähten Bilanzen reduzieren. Damit fällt auch die Nachfrage nach US-Treasuries. In diese Kategerie fällt exemplarisch die Schweizerische Nationalbank. welche seit Monaten Devisen verkauft und damit ihr Anlageportfolio von erstklassigen Obligationen und Aktienanlagen herunterfährt. 

Berichtssaison gibt Anlass zu Hoffnungen für US-Aktienanleger

Die auf hohem Niveau sehr schwankungsanfälligen US-Renditen hinterlassen damit auch am Aktienmarkt nun deutliche Spuren. Während der S&P 500 Index am Donnerstag nach der Publikation der Inflationszahlen zuerst gar zulegen konnte, verlor der breite US-Leitindex nach der Bekanntgabe des schlechten Auktionsergebnisses mehr als ein Prozent an Wert.

Noch grössere Abschläge verzeichnete der Small- und Mid-Cap-Index Russell 2000, der in der Spitze 2,4 Prozent verlor. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich die im S&P 500 vertretenen, grosskapitalisierten Werte wie Amazon, AMD, Apple, Cisco, Nvidia sowie Walmart im Plus halten konnten und die Energiewerte sich stabil entwickelten. 

Als positives Zeichen kann der Umstand gewertet werden, dass sich die US-Börsen am späten Donnertag nachmittag erholen und knapp die Hälfte der Kursverluste aufholen konnten. Nach den jüngsten Enttäuschungen bei den Auktion für US-Staatsanleihen werden die Strategen die Entwicklung an den US-Obligationenmärkten allerdings mit Argus-Augen beobachten. Die höheren, langfristigen Zinsen führen dazu, dass die Nachfrage nach Unternehmensfinanzierungen zurückgeht. 

So stark der Gegenwind von den Zinsmärkten im Moment ist, so könnte ein möglicher Kurstreiber für US-Aktien die Quartalszahlen zum dritten Quartal 2023 sein. Die Bank J. Safra Sarasin schreibt am Freitag in einer Analyse, dass der Konsens für den S&P 500 Index ein Gewinnwachstum von 0,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr vorsieht. «Dies wäre nicht nur das erste Quartal mit positivem Wachstum gegenüber dem Vorjahr seit dem dritten Quartal 2022.»

Auch die Gewinnsteigerungen dürften recht stark ausfallen. Der Tiefpunkt des US-amerikanischen ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe deutet in Verbindung mit ansonsten soliden Makrodaten auf einen Anstieg der Beat-Raten über das Niveau des zweiten Quartals hin und könnte die tatsächliche Wachstumsrate durchaus in den mittleren einstelligen Bereich anheben, so Safra Sarasin. 

Gemäss der Analysefirma Datatrek dürfte das hauptsächliche Gewinnwachstum im Vergleich zu den Vorquartalen nicht nur bei den Techwerten, sondern auch im breiten Markt zu suchen sein. «US-Big-Tech-Unternehmen sind weniger attraktiv - im Durchschnitt 13 Prozent Kurspotenzial - als der S&P 500 - 17 Prozent Kurspotenzial-, wenn wir die Kursziele der Wall-Street-Analysten als Indikator für den fairen Wert verwenden.»

Dies ist vor allem auf Tesla zurückzuführen. Ohne die Valoren des Marktführers für elektrisch angetriebene Automobile beträgt das 12-Monats-Aufwärtspotenzial von Big Tech 17 Prozent und liegt damit immer noch nur im Einklang mit dem S&P 500 Index. 

Thomas Daniel Marti
Thomas MartiMehr erfahren