Die Bemühungen der Schweiz um ein Handelsabkommen mit den USA geraten zu einer Gratwanderung. Während Regierungsvertreter prüfen, welche Zugeständnisse sie Washington für eine Vereinbarung machen können, müssen sie die Beziehungen zur Europäischen Union (EU) im Auge behalten, um ihre Interessen gegenüber dem wichtigsten Handelspartner der Alpenrepublik zu wahren, wie Politiker und mit der Angelegenheit vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters sagten.
Im Juni hatte die Schweizer Regierung einen Vertragsentwurf zur Vertiefung der Handelsbeziehungen mit der EU gutgeheissen. Zwei Monate zuvor hatte US-Präsident Donald Trump mit der Ankündigung von Einfuhrzöllen in Höhe von 31 Prozent auf Schweizer Waren - deutlich mehr als die 20 Prozent Abgabe auf Importe aus der EU - Schockwellen durch das Land geschickt.
Wirtschaftsführer und Beamte beeilten sich daraufhin zu betonen, wie stark die Schweiz in den USA investiert. Auch setzte Trump die Zolldrohung für einen Zeitraum von 90 Tagen bis zum 9. Juli aus, um Handelsabkommen mit globalen Handelspartnern zu erreichen. Seitdem laufen Gespräche mit US-Vertretern.
Nicolas Walder, Nationalrat der Grünen und Mitglied der aussenpolitischen Kommission der grossen Kammer des Parlaments, sagte, die Schweiz müsse gegenüber den USA auf ihrem Bekenntnis zum multilateralen Weg beharren. «Ein Abkommen sollte nicht mit Vereinbarungen kollidieren, die die Schweiz unterzeichnet hat oder unterzeichnen will, und sollte ausdrücklich das bilaterale Abkommen mit der EU erwähnen», sagte Walder, dessen Ausschuss regelmässig über die Handelsgespräche informiert wird.
Das Schweizer Mandat für die Verhandlungen mit den USA sieht vor, dass die Beziehungen zu anderen Handelspartnern bewahrt werden müssen. Jedes Abkommen mit den Vereinigten Staaten müsse mit den zukünftigen Beziehungen zur EU vereinbar sein, sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person.
Das Handelsabkommen der Schweiz mit der EU steht vor einem langwierigen Genehmigungsprozess. Mit hoher Wahrscheinlichkeit dürften in dem direktdemokratischen politischen System schlussendlich die Wähler das letzte Wort dazu haben. Für das Land, das im vergangenen Jahr seine eigenen Industriezölle abgeschafft hat und das grossen Wert auf die Einhaltung von Regeln legt, ist Trumps Aufkündigung und Änderung von Abkommen eine Herausforderung.
Schweizer Beamte und Parlamentarier glauben, dass ein Zoll von 31 Prozent abgewendet werden kann, gehen aber davon aus, dass der von Trump verhängte zehnprozentige Basistarif wahrscheinlich bestehen bleiben wird. «Die Schweiz verhandelt in gutem Glauben mit der US-Regierung und strebt ein positives Ergebnis an», erklärte das Wirtschaftsministerium auf Anfrage.
Die Schweiz sei bestrebt, Trump etwas anzubieten, und prüft Zugeständnisse an die USA, wie etwa einen besseren Marktzugang für Produkte wie Meeresfrüchte und Zitrusfrüchte, sagte der Insider. Zu einem Knackpunkt könnte dabei die von Trump ins Visier genommene Pharmabranche werden. Ein Abkommen sollte durch mögliche Zölle auf pharmazeutische Produkte nicht getrübt werden, erklärte der Insider. «Das ist absolut wesentlich», sagte Simon Michel, Nationalrat der liberalen FDP und Chef des Medizintechnikunternehmens Ypsomed.
Jean-Philippe Kohl, stellvertretender Direktor des Industrieverbands Swissmem, sagte, auch bei einem nur zehnprozentigen Zoll mache der Wertverlust des Dollars gegenüber dem Schweizer Franken im Sog der Handelsunsicherheit die Waren der Exporteure in den USA bereits teurer.
Und sollte die EU bessere Zollbedingungen mit Washington aushandeln, könnte dies für die Schweizer Unternehmen von Nachteil sein. «Es ist daher wichtig, dass der Dialog mit den USA schnell zu einem positiven Ergebnis führt.»
(Reuters)