So hat Madrid dem Vernehmen nach keine neue EU-Ratsschlussfolgerungen zur Schweiz geplant. Darin geben die EU-Staaten Leitlinien vor, wie es in der Beziehung Schweiz-EU weiter gehen soll.

Die Tschechen waren bei ihrer EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2022 noch mit Ambitionen angetreten: Sie wollten neue EU-Ratsschlussfolgerungen zur Schweiz bis Ende Jahr verabschieden.

Aus ihrem Vorhaben wurde jedoch nichts. Bald schon zeichnete sich nämlich ab, dass die im März gestarteten Sondierungen zu wenig schnell vorwärts gehen, um neue Schlussfolgerungen aufzugleisen.

Daher gelten bis heute noch immer die EU-Ratsschlussfolgerungen aus dem Jahre 2019. Darin ermutigen die Mitgliedstaaten die EU-Kommission etwa, nur jene Abkommen mit der Schweiz zu aktualisieren, die für die EU-Staaten grossen Nutzen bringen. Die restlichen Abkommen sollen nicht aktualisiert werden.

Substanzielle Fortschritte nötig

Die Schweden, welche die rotierende EU-Ratspräsidentschaft nach den Tschechen im Januar dieses Jahres übernahmen, hatte die Schlussfolgerungen schon gar nicht mehr auf ihrer Agenda.

Das gleiche scheint nun auch für die Spanier zu gelten. Auf Nachfragen der Nachrichtenagentur Keystone-SDA bei mehreren Diplomaten lautete die Antwort jeweils, man wisse nichts von geplanten Schlussfolgerungen.

Spanien hat denn auch in den kommenden sechs Monaten genügend andere Herausforderungen zu bewältigen: Darunter die Neuwahlen am 23. Juli im eigenen Land und auf EU-Ebene der Krieg in der Ukraine oder der Kampf gegen den Klimawandel.

Zudem dürften neue Ratsschussfolgerungen für die Schweiz erst dann Sinn machen, wenn es in der Beziehung Schweiz-EU substanzielle Fortschritte gibt - beispielsweise, wenn der Bundesrat sein Mandat für Verhandlungen mit der EU verabschiedet hat.

Cassis skizziert Zeitplan

Doch das scheint nicht mehr in diesem Jahr stattzufinden. Bundesrat Ignazio Cassis hatte am vergangenen Mittwoch - als er die Ernennung von Alexandre Fasel zum neuen Staatssekretär bekannt gab - klar gemacht: "Rein technisch können wir gar nichts vor Januar tun."

Der Aussenminister skizzierte den weiteren Zeitplan wie folgt: Im Sommer laufen noch Gespräche mit der EU, bis Ende Oktober macht der Bundesrat voraussichtlich die nächste Auslegeordnung und wenn er dann grünes Licht gibt, müssen ein Verhandlungsmandat und ein Bericht ausgearbeitet werden. Cassis erinnerte zudem daran, dass die Kantone sowie die beiden aussenpolitischen Kommissionen das Recht haben, dazu konsultiert zu werden.

Wegen der eidgenössischen Wahlen Ende Oktober werden laut dem Bundesrat Cassis die parlamentarischen Kommissionen ihre Arbeit jedoch erst im Januar aufnehmen können.

Hinzu kommt nun auch noch der Rücktritt von Bundespräsident Alain Berset. Anfang Dezember wird sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin gewählt, was das Ganze noch zusätzlich verzögern könnte - etwa, wenn es zu einer grösseren Departementsrochade käme.

Forschung hängt in der Luft

Die Forschenden in der Schweiz schauen schon lange besorgt auf den Zeitplan. Sie hoffen, dass spätestens dann, wenn der Bundesrat das Mandat für Verhandlungen mit der EU verabschiedet, die EU-Kommission sich bereit zeigt, mit Verhandlungen über eine Assoziierung der Schweiz an das EU-Forschungsprogramm "Horizon Europe" zu beginnen.

Insgeheim besteht gar die vage Hoffnung, dass sich Brüssel möglicherweise schon für Gespräche mit der Schweiz bereit zeigen könnte, wenn nach Abschluss der Sondierungsgespräche eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet wird.

Denn die Zeit drängt: Bereits hat man in Brüssel mit den Vorbereitungen für das EU-Nachfolgeprogramm von "Horizon Europe" begonnen - also für das Forschungsprogramm nach 2027. Als nicht-assoziiertes Mitglied ist es für die Schweiz jedoch schwierig, hier intensiv mitreden zu wollen.

(AWP)