Auf das Fest folgt oft der Kater. Während derzeit an den Börsen die erhoffte Zinswende gefeiert wird, könnte der Schwung schon bald seine Kraft verlieren. Denn viele der Unsicherheitsfaktoren von 2023 dürften die Märkte 2024 weiter begleiten.

Bekanntlich steckte 2023 voller marktbewegender Überraschungen: So erwies sich die Inflation und der Kampf der Notenbanken erneut als steter Unruheherd, die Erwartungen an das Wirtschaftswachstum änderten sich ständig, und im Frühjahr sandte eine plötzliche Bankenkrise Schockwellen aus. In den vergangenen Wochen kam dann mit den Kämpfen im Gaza-Streifen noch ein weiterer Konfliktherd zu dem seit vergangenem Jahr anhaltenden Ukraine-Krieg hinzu.

Viele dieser Faktoren dürften auch im kommenden Jahr das Marktgeschehen beeinflussen, sind sich Anlageexperten einig. Vor allem die geopolitischen Belastungen, das Thema Inflation und Zinsen sowie die weltwirtschaftlichen Aussichten werden wohl erneut zu den treibenden Kräften gehören. Zudem ist in den USA Wahljahr.

Erste Lichtblicke

Hinzu kommt, dass in den letzten Wochen Zinssenkungsphantasien die Kurse getrieben haben und damit möglicherweise viele Impulse für 2024 bereits vorweggenommen haben. Getragen werden diese nicht zuletzt dadurch, dass die Inflation auch dank der Zentralbanken mittlerweile klar von ihren Hochständen zurückgekommen ist. Zwar sei der Kampf gegen die Inflation noch nicht gewonnen, mahnt Anlageexperte Thomas Stucki von der St. Galler Kantonalbank. Sie scheine aber auf dem richtigen Weg zu sein.

Neben der Preisentwicklung wird auch das Wirtschaftswachstum 2024 eine wichtige Rolle spielen. Ökonomen betonen immer wieder, dass die Wirkungen der Zinserhöhungen erst zeitverzögert in der Wirtschaft ankommen. Während sie der US-Wirtschaft durchaus eine sanfte Landung zutrauen, erachten sie eine weniger sanfte Landung für die Eurozone als unausweichlich.

Der Grund: Gerade der üblichen Lokomotive Deutschland geht die Luft aus. "Für Deutschland sieht es derzeit sehr schlecht aus", sagt etwa Christian Gattiker, Leiter Research bei Julius Bär.

Belastung aus dem Ausland

Für die exportorientierte Schweiz sind das keine guten Nachrichten. Entsprechend dürfte das Wirtschaftswachstum auch hierzulande durch die schwachen Partner in Mitleidenschaft gezogen werden. Bei Julius Bär oder der Zürcher Kantonalbank sowie der SGKB raten die Anlageexperten zum Start in das neue Börsenjahr daher zur Vorsicht.

Philipp Lienhardt, der das Aktienresearch bei Julius Bär leitet, empfiehlt, zunächst auf defensive Sektoren zu setzen. Hier könnte dem Schweizer Markt seine weniger konjunktursensible Ausrichtung für einmal zugutekommen. Vor allem Pharmawerte erachtet der Experte in einem solchen Umfeld als keine schlechte Wette.

Julius Bär selbst zählt denn auch mit Sandoz und Nestlé zwei defensive Vertreter zu den Top Picks für 2024. Ähnlich sieht man es bei Pictet Asset Management. Für den Anlagestrategen Anastassios Frangulidis dürfte der Schweizer Markt mit seiner defensiven Ausrichtung für das turbulenter erwartete erste Halbjahr eine gute Wette sein.

Denn gerade die weniger konjunktursensiblen Werte gehören laut Frangulidis in Zeiten eines schwachen globalen Wachstums und geopolitischer Unsicherheiten zu den Gewinnern. Mit Werten wie Nestlé oder den Pharmaschwergewichten Roche und Novartis gilt der Schweizer Aktienmarkt bekanntlich als defensiv bzw. wenig konjunktursensibel.

Vielleicht ist dies im neuen Jahr ein Vorteil, nachdem sich dies im nun zu Ende gehenden Jahr als Bremsklotz erwiesen hat. Vor allem Nestlé und Roche haben mit einer deutlich negativen Jahresperformance den SMI belastet.

Alternative zu Aktien

Etwas anders schätzt Manuel Ferreira, Chefstratege der ZKB, die Lage ein. Zwar geht auch er davon aus, dass die ersten Monate 2024 durch eine konjunkturelle Abkühlung gekennzeichnet sein werden. Entsprechend rechnet er mit einer erhöhten Volatilität. Diese dürfte aber schnell verdaut sein, weswegen er denn auch - anders als die anderen beiden Strategen - dazu rät, das Portfolio schon bald sukzessive zyklischer auszurichten bzw. die Aktienpositionen auszubauen.

Aber auch Obligationen stellen seiner Meinung nach eine spannende Alternative dar. "Denn die Zeiten sind vorbei, in denen die Anleger keine Alternative zu Aktien hatten", sagt Ferreira. "Anleihen werfen wieder positive Renditen ab und deren Kurse werden von der Konjunkturschwäche, dem Inflationsrückgang und den neutralisierenden Zinssenkungen profitieren."

Auch die Anlageexperten des Finanzdienstleisters State Street Global Advisors sind der Ansicht, dass "angesichts einer möglichen deutlichen Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit und einer anhaltenden Disinflation festverzinsliche Wertpapiere unter Risiko-/Ertragsgesichtspunkten eine der am besten positionierten Anlageklassen darstellen". Insbesondere Staatsanleihen wie etwa US-Treasuries seien mittelfristig eine attraktive Möglichkeit.

(AWP)