Während die EU, Grossbritannien oder auch die USA die Zügel anziehen, prallen in der Schweiz die Positionen zu der Frage aufeinander, wie Etikettenschwindel bei grünen Investments am besten verhindert werden kann. Die Schweizer Banken wollen sich selbst überwachen. Denn Selbstregulierung - ein Ansatz der sonst kein namhafter Finanzplatz verfolgt - könne schneller umgesetzt werden, so der Branchenverband. «Das ist Augenwischerei», sagt dagegen Stephan Kellenberger von WWF Schweiz. «Mit Selbstregulierung können wir Greenwashing-Vorfälle nicht verhindern.» Das letzte Wort dazu hat die Schweizer Regierung, die in den kommenden Wochen ihren Entscheid bekannt geben dürfte.

Die Zahl der möglichen Fällen von Greenwashing durch Banken und Finanzdienstleister in aller Welt ist in den vergangenen zwölf Monate um 70 Prozent hochgeschnellt, wie aus einer kürzlich veröffentlichten Studie von RepRisk hervorgeht. Die meisten davon entfielen auf europäische Finanzinstitute. Dass Unternehmen irreführende Behauptungen in Bezug auf Nachhaltigkeit aufstellen, um ihren Ruf und den Gewinn aufzupolieren, ist den Regulatoren ein Dorn im Auge. Denn Investitionen sind eine Schlüssel-Voraussetzung, um die Wirtschaft auf Klima-Kurs zu bringen. Mangelnde Glaubwürdigkeit untergräbt diese Anstrengungen.

Experten zufolge besteht das grösste Risiko von Greenwashing bei Kundenberatern, die Anleger falsch informieren, sowie bei Anlageprodukten, die grüner vermarktet werden als sie sind. Zuverlässige Zahlen zu Greenwashing bei Schweizer Finanzfirmen liegen nicht vor. «Ich glaube nicht, dass es Fälle von absichtlicher Täuschung gibt», erklärt Hans-Ruedi Mosberger vom Schweizer Bankenverband. Gut möglich sei aber, dass es teilweise falsche Vorstellungen von Produkten gebe. «Da handelt es sich vielmehr um ein Missverständnis, ein Kommunikationsproblem.»

Die meisten Mitgliedsfirmen befürworteten die Einführung der Selbstregulierung. Auch die UBS unterstütze die Brancheninitiativen, um einen Mindeststandard für die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien zu schaffen und weiterzuentwickeln, erklärte eine Sprecherin der Grossbank. Die vom Verband erlassenen Vorgaben sind seit Anfang des Jahres in Kraft, für die Einhaltung sind die Banken selbst zuständig.

Zahlen viel zu hoch

Die Volumen der Anlagen «mit Nachhaltigkeitsbezug» sind in der Schweiz 2022 auf 1610 Milliarden Franken geschrumpft von 1983 Milliarden im Jahr davor, wie aus einer Studie von Swiss Sustainable Finance (SSF) hervorgeht. Neben der Marktperformance, die sich auch bei konventionellen Anlagen negativ auswirkte, steckten dahinter mehrere grosse Anbieter, die bei der Kennzeichnung vorsichtiger geworden seien, erklärt SSF-Chefin Sabine Döbeli. «Aus Angst, sich angreifbar zu machen, verzichten Finanzfirmen darauf, Anlagen als grün zu bezeichnen.»

Kellenberger kritisiert allerdings, dass nur rund ein Fünftel des Anlagevolumens als wirklich nachhaltig bezeichnet werden könne. «Das heisst, die bis anhin genannten Zahlen sind viel zu hoch.» Die Selbstregulierungen der Branche definierten keine harten Anforderungen. «Für uns ist unverzichtbar, dass nachhaltige Produkte beispielsweise die Vorgaben der Pariser Klimaziele erfüllen, also das 1,5-Grad-Ziel einhalten», sagt er. Das erwarteten auch die Anleger, wie eine Umfrage von Greenpeace 2021 ergeben habe. «Viele Anlageprodukte und Dienstleistungen verfehlen diese Massgabe aber», so Kellenberger.

Glaubwürdigkeit bleibt eine Herausforderung

Falsche Versprechungen bergen auch das Risiko von Klagen und harten Sanktionen der Regulatoren. Der prominenteste Fall ist die DWS. Die zur Deutschen Bank gehörende Fondsgesellschaft musste vergangenen Monat in den USA 25 Millionen Dollar auf den Tisch legen, um Vorwürfe in Zusammenhang mit nachhaltigen Kapitalanlagen beizulegen.

Eine hohe Glaubwürdigkeit sei eine Voraussetzung, damit ein Finanzplatz im Bereich nachhaltiger Anlagen eine führende Rolle einnehmen könne, erklärte die Schweizer Regierung im Dezember. Die Kunden müssten klarer informiert werden, wie nachhaltig Finanzprodukte oder Dienstleistungen tatsächlich seien. Die Regierung sprach sich dabei für eine enge Definition aus und beauftrage eine Arbeitsgruppe, einen Vorschlag zur Umsetzung auszuarbeiten. Der Bundesrat informiere im Laufe des Herbstes über das weitere Vorgehen, erklärte ein Sprecher der für die Finanzmarktpolitik zuständigen Behörde SIF. Handlungsbedarf sieht auch die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma.

Daniel Schmid Perez vom Bankenberater ZEB geht davon aus, dass die Regierung einschreitet. «Es kommt eine Regulierungswelle auf die Schweizer Banken zu.» Eine zentrale Regulierung würde die ganze Bank durchdringen, viele Prozesse müssten angepasst werden. Diese Anpassungen und auch die Schulung der Mitarbeiter dürften eine Bank über die kommenden fünf Jahre fünf bis zehn Millionen Franken kosten. «Wenn das zentral kommt, haut das richtig rein.»

(Reuters)