Es ist der Albtraum einer jeden Wirtschaftsredaktion: Mit Credit Suisse, Nestlé, Clariant und Zurich Insurance legen am morgigen Donnerstag gleich vier Schweizer Grosskonzerne ihre Jahresergebnisse vor. Hinzu kommt jenes von Temenos. Der Bankensoftwarehersteller aus Genf informiert die Öffentlichkeit schon am Mittwoch nach Börsenschluss über den Geschäftsverlauf im Schlussquartal letzten Jahres.
Und wie das so ist, wollen alle diese Zahlenkränze im Detail analysiert und kommentiert werden, bevor am Donnerstag die Schweizer Börse ihren Handel aufnimmt. Mit anderen Worten: Die Wirtschaftsredaktorinnen und -redaktoren stehen vor dem wohl stressigsten Tag des Jahres.
Ein Grund mehr, quasi in letzter Minute einen Blick darauf zu werfen, was am Donnerstag früh ins Haus steht:
Nestlé (Donnerstag, 7.15 Uhr)
Wie auch immer das letztjährige Jahresergebnis von Nestlé ausfällt, es wird zusammen mit den Zielvorgaben für 2020 den Swiss Market Index (SMI) bewegen. Denn schliesslich ist der Nahrungsmittelkonzern dasjenige Unternehmen mit dem grössten Gewicht im renommierten Börsenbarometer.
Die Erwartungen an Nestlé sind hoch. Darf man dem Broker Kepler Cheuvreux Glauben schenken, dann dürfte sich das organische Umsatzwachstum im Schlussquartal auf 3,9 Prozent beschleunigt haben. Dieser Meinung ist auch die US-Investmentbank J.P. Morgan. Auf das Gesamtjahr betrachtet läge das organische Umsatzwachstum dann bei 3,7 Prozent. Nestlé selbst gibt sich etwas bescheidener.
Nicht weniger ambitioniert sind die Erwartungen für das laufende Jahr. Den diesjährigen Zielvorgaben wird deshalb eine ungleich grössere Bedeutung als dem letztjährigen Ergebnis zuteil. Beim organischen Umsatzwachstum liegen die durchschnittlichen Schätzungen bei 3,9 Prozent, bei der operativen Marge (EBIT) hingegen bei 17 Prozent. Das entspricht einer Margenverbesserung um nicht weniger als 60 Basispunkte.
Nestlé hat erst vor wenigen Wochen ein mit 20 Milliarden Franken dotiertes neues Aktienrückkaufprogramm in Angriff genommen.
Credit Suisse (Donnerstag, 7 Uhr)
Die Veröffentlichung des Jahresergebnisses ist bei der Credit Suisse auch gleich die Abschiedsvorstellung von Firmenchef Tidjane Thiam. Um 8.15 Uhr stellt er sich ein letztes Mal den Medien, bevor er tags darauf an seinen Nachfolger Thomas Gottstein übergibt.
Thiam wird für 2019 das wohl beste Ergebnis seiner vierjährigen Amtszeit vorweisen können. Alleine im vierten Quartal dürfte die Credit Suisse fast eine Milliarde Franken verdient haben. Darin enthalten sind allerdings eine Beteiligungsaufwertung in Höhe von mindestens 450 Millionen Franken sowie ein einmaliger Erlös aus einem Liegenschaftenverkauf in geschätzter Höhe von 100 Millionen Franken.
Da diese einmaligen Erträge in unterschiedlichen Geschäftsbereichen anfallen, dürfte der Zahlenkranz nicht ganz einfach zu deuten sein. Das Interesse gilt dabei vor allem dem Gewinnbeitrag aus dem Wealth Management. In diesem Geschäftszweig wusste die Rivalin UBS im Schlussquartal nur mässig zu glänzen.
Die Bank Vontobel geht von einer Jahresdividende in Höhe von 0,2756 Franken je Aktie aus. Die durchschnittlichen Schätzungen liegen mit 0,28 Franken etwas darüber. Womöglich gibt die Credit Suisse ein neues Aktienrückkaufprogramm bekannt. Seit Firmenchef Thiam seinen Rücktritt bekanntgegeben hat, liegt die CS-Aktie sehr gut im Markt.
Clariant (Donnerstag, 7 Uhr)
Clariant blickt auf ein schwieriges Geschäftsjahr zurück. Nach einer überraschend schwachen ersten Jahreshälfte erzielte der Baselbieter Spezialitätenchemiekonzern im dritten Quartal deutliche Verbesserungen. Ob das auch im Schlussquartal der Fall ist, bleibt fraglich. Denn die Situation in den Absatzmärkten gestaltet sich alles andere als einfach. Zudem muss Clariant den Beweis antreten, im Geschäftsbereich Care Chemicals wieder Tritt gefunden zu haben.
In Analystenkreisen ist man sich uneinig, ob Clariant so früh im Jahr bereits konkrete Aussagen zur diesjährigen Umsatz- und Margenentwicklung machen wird. Vermutlich bekräftigt das Unternehmen stattdessen die bis Ende 2021 vordefinierten Mittelfristziele. Diese Ziele gelten nach dem schwierigen letzten Jahr allerdings als zu optimistisch.
Der am frühen Mittwochmorgen bekanntgewordene Rücktritt von Finanzchef Patrick Jany dürfte keine hohen Wellen werfen. Er wechselt in derselben Funktion zum dänischen Transportunternehmen A.P. Moeller Maersk. Jany war gerade bei angelsächsischen Analysten sehr beliebt.
Zurich Insurance (Donnerstag, 6.45 Uhr)
Mit grosser Spannung wird das Jahresergebnis der Zurich Insurance Group erwartet. Für das dritte Quartal legte der Versicherungskonzern nämlich bloss einen knapp gehaltenen Zwischenbericht vor. Erst jetzt dürfte sich zeigen, wie sich der Gewinn in der zweiten Jahreshälfte entwickelt hat. Auf das Gesamtjahr betrachtet gehen Analysten beim sogenannten Business Operating Profit (BOP) von einem Zuwachs in Höhe von 13 Prozent, beim den Aktionären zurechenbaren Reingewinn hingegen von einem moderateren Plus von 3 Prozent aus. Grössere Überraschungen sind wohl nicht zu erwarten.
Die Dividende dürfte im Vergleich zum Vorjahr sogar um 5 Prozent auf 20 Franken erhöht werden. Noch unklar ist, ob der Versicherungskonzern auch heuer wieder ein Aktienrückkaufprogramm zur Abfederung des Verwässerungseffekts aus dem Mitarbeiterbeteiligungsprogramm ins Leben rufen wird.
Zuletzt kostete die Zurich-Aktie mit fast 423 Franken so viel wie seit fast 20 Jahren nicht mehr. Die SMI-Dividendenkrone musste die Aktie mittlerweile an jene der UBS abgeben.
Temenos (Mittwoch, 17.30 Uhr)
Nach einem enttäuschenden dritten Quartal muss Temenos den Beweis antreten, im Schlussquartal wieder zu alter Stärke zurückgefunden zu haben. Den Aktionären des Bankensoftwareherstellers dürften die Kursturbulenzen am Tag der Ergebnisenttäuschung noch immer in den Knochen stecken. Damals sackte der Aktienkurs mal eben schnell um 20 Prozent ab.
Zuletzt verlautete aus Analystenkreisen, dass die hausgemachten Probleme des dritten Quartals noch immer nicht ganz aus dem Weg geräumt werden konnten und sich diese ins vierte Quartal hinein gezogen hätten.
Erst vor wenigen Tagen reduzierte die Deutsche Bank vorsorglich ihre Gewinnschätzungen um bis zu 7 Prozent. Die Grossbank schliesst nicht aus, dass das Schlussquartal bei Temenos etwas schwächer als erhofft ausgefallen ist. Sollte es erneut zu einer Überreaktion der Börse kommen, erachtet die Deutsche Bank tiefere Kurse jedoch als günstige Kaufgelegenheit. Wenig überraschend empfiehlt sie die Aktie mit einem Kursziel von 190 Franken zum Kauf.