Wer Geld von der Pensionskasse auf ein Freizügigkeitsdepot verschiebt und richtig anlegt, hat bei der Pensionierung viel mehr Geld als andere, die voll im Pensionskassensystem bleiben. Kein Wunder, haben viele, die sich mit dem Thema Pensionskassen auskennen, den Schritt aus dem System schon vollzogen.
Ein Rechenbeispiel: Ein fünfzigjähriger Mann kann 300’000 Franken in der Pensionskasse angespart haben. Daraus würden bis zu seiner Pensionierung im Alter von 65 Jahren kaum mehr 400’000 Franken – ohne weitere Einzahlungen. Aber wenn er das Vermögen aus dem System nimmt, auf ein Freizügigkeitskonto einzahlt und breit gestreut in Aktien investiert, werden daraus bis zu seiner Pensionierung im Alter von 65 Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr als 600’000 Franken.
Ausserhalb der Pensionskasse kann er also 200’000 Franken mehr daraus machen. Das liegt einerseits daran, dass die Pensionskassen nur einen kleinen Teil ihrer Anlagen in Aktien investieren. Zudem auch an der Umverteilung von aktiv Versicherten (den Arbeitnehmenden) zu den Rentnern. Um die hohen Umwandlungssätze der Rentner zu finanzieren, müssen die Pensionskassen von der Rendite der aktiv Versicherten etwas abzwacken. Bei Arbeitnehmern landet teilweise nur ein Fünftel der Anlagerendite einer Pensionskasse. Selbst wenn die Anlagerendite der Pensionskasse 10 Prozent beträgt, kann es sein, dass nur 2 Prozent Rendite bei versicherten Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen ankommen. Die Oberaufsicht der Pensionskassen gibt den Betrag der Umverteilung im Durchschnitt über die vergangenen fünf Jahre mit 4,7 Milliarden Franken an.
In den drei Jahren von Anfang 2019 bis Ende 2021 haben viele Pensionskassen in der zweiten Säule den obligatorischen Teil nur mit dem gesetzlichen Minimum von 1 Prozent verzinst und das Überobligatorium sogar noch geringer.
Diese Fluchtmöglichkeiten werden genutzt
Das alles zeigt, wie gross der Anreiz ist, aus dem Pensionskassensystem zu "flüchten". Kein Wunder, nutzen Eingeweihte längst alle Schlupflöcher (die "Handelszeitung" berichtete darüber am 24. September 2020).
Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten, Geld von der Pensionskasse zu beziehen: eine selbstbewohnte Immobilie kaufen, auswandern oder sich selbstständig machen.
Aber es gibt noch eine vierte Variante, über die öffentlich wenig diskutiert, aber die von Insidern praktiziert wird. Sie kann bei einem Jobwechsel oder irgendeinem Unterbruch im Arbeitsleben genutzt werden – auch wenn man mal arbeitslos wird oder eine Auszeit zwischen zwei Jobs nimmt. Die bestehende Pensionskasse fragt dann, wohin sie die Freizügigkeitsleistung (Ihr Geld in der Pensionskasse) überweisen soll. Dann kann man zwei Freizügigkeitseinrichtungen angeben. Es sind zwei möglich, weil der Gesetzgeber kein Klumpenrisiko mit nur einem Anbieter verantworten wollte – der eine Anbieter könnte ja mit dem Geld abhauen.
Es ist wichtig, zwei voneinander ganz unabhängige Anbieter zu wählen, nicht einfach zwei Konten oder zwei Depots beim gleichen Anbieter. Man muss direkt von der Pensionskasse des ehemaligen Arbeitgebers auf Konten von zwei voneinander unabhängigen Freizügigkeitsanbietern überweisen. Nachträglich kann man den Freizügigkeitsbetrag nicht mehr splitten.
Keine Urkundenfälschung begehen
Wenn man den neuen Job antritt, schreibt die Pensionskasse des neuen Arbeitgebers, dass man doch bitte die Freizügigkeitsleistung überweisen soll. Dann überweist man nur den Teil von der einen Freizügigkeitseinrichtung, den anderen Teil belässt man bei der anderen Freizügigkeitseinrichtung. Zwar schreibt das Gesetz den Pensionskassen vor, dass sie alles Geld einfordern müssen, aber in der Praxis setzen sie sich nicht durch. Sie haben nicht die Mittel dazu.
Einige Experten zum Thema Pensionskassen berichten höchstens davon, dass die Pensionskassen positive Anreize zu schaffen versuchen, um die Versicherten dazu zu bringen, trotzdem alles einzuzahlen. Etwa indem sie Gelder zur Finanzierung von selbstbewohntem Wohneigentum nur auszahlen, wenn vorher alle Freizügigkeitsgelder überwiesen werden. Aber wer Immobilien kauft, kann wiederum das Kapital beziehen und ist so ebenfalls aus der Umverteilungsmaschinerie der Pensionskasse gekommen.
Noch eine Warnung: Die neue Pensionskasse schickt neben der Aufforderung zur Einzahlung auch ein Formular, in welchem sie nachfragt, ob man noch weitere Gelder bei einer Freizügigkeitseinrichtung hat. Dort muss man wahrheitsgemäss antworten, sonst ist das Urkundenfälschung.
Obligatorium und Überobligatorium splitten
Sobald man das Geld ausserhalb des Pensionskassensystems hat, ist man frei von der Umverteilung von aktiv Versicherten zu den Pensionierten. Zudem hat man dann auch die freie Wahl, welcher Freizügigkeitseinrichtung man sein Geld anvertrauen will. Das im Unterschied zur Pensionskasse, die von den Versicherten nicht gewählt werden kann, sondern vom Arbeitgeber bestimmt wird.
Auf der Suche nach einem Freizügigkeitsanbieter wählt man mit Vorteil einen, der hohe Aktienanteile erlaubt, also eine Wertschriftenlösung anbietet, die auch Freizügigkeitsdepot genannt wird. Dazu gehören die beiden Anbieter Descartes Vorsorge und Viac, die bis 80 oder gar 100 Prozent Aktienanteil in ihren Lösungen ermöglichen. Bei beiden kann man eine Beziehung digital eröffnen.
Je länger der Anlagehorizont, also je weiter weg die Pensionierung noch ist, desto höher darf der Aktienanteil sein. Wer jünger als fünfzig Jahre alt ist, dem kann zu 100 Prozent Aktien geraten werden. Wer hingen nur noch fünf Jahre vor der Pensionierung ist, dem müssen deutlich geringere Aktienanteile empfohlen werden – wegen der mit höheren Aktienanteilen steigenden Wertschwankungsrisiken. Für Leute, die nahe an ihrem Pensionierungsalter sind, lohnt sich der Ausstieg aus der Pensionskasse tendenziell weniger.
Als konkrete Handlungsempfehlung bei einem Stellenwechsel beziehungsweise bei einem Unterbruch der Beschäftigung: Man weist seine Pensionskasse an, den obligatorischen Teil der beruflichen Vorsorgegelder auf ein Freizügigkeitskonto und den Rest, das sogenannte Überobligatorium, auf ein zweites Freizügigkeitskonto bei einem anderen Anbieter zu überweisen. Die Pensionskasse des ehemaligen Arbeitgebers sollte dabei behilflich sein, die Beträge aus dem Obligatorium und dem Überobligatorium zu berechnen. Aber man kann die Beträge auch einfach halbe-halbe splitten. Dann überweist man den einen Teil an die neue Pensionskasse und den Rest lässt man im Freizügigkeitsdepot.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei der «Handelszeitung» unter dem Titel «Die lukrative Flucht aus dem Pensionskassensystem».
4 Kommentare
Gibt es eine Übersicht über die Performance der einzelnen Pensionskassen oder zumindest eine Aufstellung der 10 besten? Ggf. könnte es ja alleine dadurch interessant sein den Arbeitgeber zu wechseln.
Es können ja nicht alle nur schlecht sein.
Auswandern, im Ausland wie ein König auftrumpfen und dann knochenstier zurückkehren. Ja, sind keine Einzelfälle, hab ich schon einige Male erlebt..
Nur nützt es wenig, wenn man die PK Gelder erst nach Pensionierung anlegen kann. Immer wieder wird gesagt, der Anlagehorizont sei ca. 10 - 15 Jahre. Für eine ansprechende Rendite. Und vorher wurden die PK Versicherten 40 Jahre lang abgezockt. Kunststück kommen viele Versicherte nie auf einen grünen Zweig. Die ganze Altersvorsorge gehört in staatliche Hand. Und dort sollen sich ein paar wenige, gut bezahlte Spezialisten darum kümmern. Keine Politiker.
In staatliche Hand? Viel eher sollte jeder seine PK frei wählen können, Konkurrenz beleiebt das Geschäft, staatlich verordnete Rendite ohne Politiker ist reines Wunschdenken