Im Spätsommer 2020 war eine langlaufende britische Staatsanleihe mit Fälligkeit 2061 ein begehrtes Anlageobjekt. Die Banker in der Londoner City kauften sie massenhaft für ihre eigenen Konten und Broker berichteten von einem Anstieg der Handelsvolumen bei vermögenden Kunden.
Mit der Zinswende Anfang 2023 kam die grosse Ernüchterung, die britischen Obligationen erwiesen sich als Verlustgeschäft. Die Anleihen sind seit 2022 stark gefallen und haben mehr als die Hälfte ihres Wertes eingebüsst. Der Ausverkauf längerfristiger Anleihen, der durch Sorgen über die Staatsausgaben angeheizt wurde, hat zu einem massiven Kursrückgang geführt.
«Investorinnen und Investoren halten immer noch an der Position fest und hoffen, dass sie sich eines Tages auszahlt», sagte Megum Muhic, Zinsstrategin bei RBC Capital Markets, und nannte sie die «meistdiskutierte Anleihe» in der City. «Es ist schon seltsam. Sie ist fast zu einer Art Religion geworden.»
Die 2061er gehören zu einer Nischenklasse ultralang laufender Obligationenanleihen, wie beispielsweise auch die 100-jährige österreichische Staatsanleihe, deren Kurse ebenfalls auf breiter Front eingebrochen sind. So notiert am Montag diese Staatsanleihen mit Verfall 2117 und einem Coupon von 2,1 Prozent noch bei 58 Prozent. Die Rendite auf Verfall beträgt 3,47 Prozent.
«Jeder besitzt die 61er», sagte Chris Iggo, Chief Investment Officer für Kerninvestitionen bei AXA IM. Er verglich es mit einer Absicherung gegen Entlassungen, im Wesentlichen einer risikoreichen Wette, die sich auszahlen würde, wenn eine Rezession die Londoner Finanzbranche lähmen würde.
Anleihen ein Relikt aus einer vergangenen Ära
Die 2061er-Anleihe wurde 2020 auf dem Höhepunkt der Pandemie verkauft, als die Zinsen am Tiefpunkt waren, und hat einen Kupon von nur 0,5 Prozent. Aufgrund eines im Vergleich zu anderen englischen Staatsanleihen - sogenannten Gilts - so niedrigen Zinssatzes sind die Kurse rapide gefallen. Während die Anleihe zu etwa 97 Pfund ausgegeben wurden, sanken die Preise 2022 auf unter 50 Pfund und werden nun auf einem Rekordtief von 25 Pfund gehandelt.
Dennoch lassen sich viele Spekulanten nicht abschrecken. Unter den 96 auf Hargreaves Lansdown, der grössten Investmentplattform Grossbritanniens, notierten Staatsanleihen verzeichnete die 2061er-Anleihe in den letzten zwölf Monaten die meisten Verkaufstransaktionen und belegte bei den Kaufaufträgen den zweiten Platz. «Im Aktienbereich entspricht dies Einzelprodukten wie dem 3-fach gehebelten Nasdaq oder Nvidia», sagte Muhic von RBC. «Das bietet wirklich maximales Aufwärtspotenzial. Die 61er sind im Grunde das Äquivalent.»
Der Handel bringt, wenn er richtig gemacht wird, eine grosse Steuererleichterung mit sich. Die 2061er sind ungewöhnlich, weil sie kaum Zinsen abwerfen, sodass kaum Einkommen zu versteuern ist. Und wie alle britischen Staatsanleihen sind sie von der Kapitalertragssteuer befreit, die in England für Besserverdiener 24 Prozent beträgt. Das ist besonders relevant für eine niedrig bewertete Anleihe mit viel Potenzial. Ein Anstieg auf das Niveau von Ende 2021 würde bei fast 300 Prozent liegen.
Mit perfektem Markt-Timing konnten einige Händler Gewinne mitnehmen. Mark Taber, ein bekannter privater Anleiheinvestor, hat in der Vergangenheit immer wieder in diese Anleihen investiert und sie oft nur wenige Wochen gehalten, weil sie so riskant sind. «Die Vorstellung, dass die Leute ihr Geld für diese 2061er vervierfachen, ist wahrscheinlich etwas abwegig», sagte er. «Ich sehe das nicht so, als würde ich damit in ein paar Jahren ein Vermögen machen. Ich bin jeweils nervös, wenn ich diese Anleihe handle.»
Ein weiteres Verkaufsargument ist, dass der Preis theoretisch steigen sollte, wenn es zu einer Rezession kommt und die Inflation nachlässt. Dies würde die Renditen von ihren fast jahrzehntelangen Höchstständen wieder nach unten drücken.
Angesichts der schwachen britischen Wirtschaft ist dies für viele Händler kein weit hergeholtes Szenario. Und im Gegensatz zu anderen spekulativen Geschäften, wie Penny Stocks, die auf Null fallen können, oder Optionskontrakten, die wertlos verfallen, werden die Anleihen von der britischen Regierung abgesichert und müssen vollständig zurückgezahlt werden, wenn auch erst nach 36 Jahren.
(cash/Bloomberg)