Mit einem Paukenschlag hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) am 21. März den Leitzins als erste führende Notenbank der Welt um 0,25 Prozent auf 1,50 Prozent gesenkt. Die Zinswende nach den rasanten Leitzinserhöhungen um 2,50 Prozent zwischen Juni 2022 und September 2023 ist eingeläutet.

Nach dem Entscheid sind die Geldmarktzinsen bei den Laufzeiten von einem Monat bis zwei Jahre markant um 20 bis 30 Basispunkte zurückgegangen. Am langen Ende bei den Laufzeiten von drei bis zehn Jahren war der Rückgang mit fünf bis zehn Basispunkten deutlich bescheidener, da der Markt schon zu Jahresbeginn Zinssenkungen eingepreist hatte. 

Am Geldmarkt wurden Anfang April zwei weitere Leitzinssenkungen eingepreist. Ein Vergleich mit der aktuellen Zinskurve zeigt gemäss nachfolgender Grafik zwei Veränderungen. Erstens ist von zwei erwarteten Zinssenkungen am Markt per Ende Jahr nur noch eine vollständig eingepreist. Zweitens sind die längerfristigen Zinsen wieder angestiegen, was ebenfalls für "weniger" Zinssenkungen spricht. 

Die Inflationsrate von 1,4 Prozent im April lag deutlich über den Erwartungen, hatte aber keinen Einfluss auf die Zinskurve. Wenn der Anstieg wegen auslaufender Basiseffekte moderat ausfällt, könnte die SNB dennoch weiter die Zinsen senken, erläutert Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank auf Anfrage von cash.ch. «Letztlich ist es auch nicht so kriegsentscheidend, ob es zwei oder drei Zinssenkungen im laufenden Jahr sind. Wichtig ist, dass der Gesamtmix aus Zinsen, Inflation und Wachstum passt.»

Bei der UBS, welche schon Anfang 2024 drei Zinssenkungen in diesem Jahr in Aussicht stellte, sind die Ökonomen einen Tick vorsichtiger geworden. Die längerfristigen Schweizer Zinsen werden auch in den kommenden Quartalen seitwärts tendieren. Hypothekarzinsen, die an den Saron gebunden sind, dürften hingegen in den kommenden Quartalen von zwei weiteren Zinssenkungen der Nationalbank profitieren. Die Formulierung der UBS lässt die Interpretation offen, um welche Quartale es sich handelt. Es könnte ergo bei der zweiten Senkung auch gut 2025 werden. 

Definitiv nur eine Zinssenkung im September um 0,25 Prozent erwartet Santosh Brivio, Ökonom der Migrosbank. Die Inflation bleibt trotz allfälligen kurzweiligen Aufflackerns innerhalb des Zielbandes. Auch seitens der Währungsentwicklung - vor allem beim Euro zum Franken - besteht für die SNB kein Handlungsdruck zur weiteren Lockerung der Geldpolitik. 

Bleibt die Inflation unter Kontrolle, erwartet Brivio für das nächste Jahr keine zusätzliche Lockerung. Der Leitzins ist bereits aktuell tiefer als der historische Durchschnitt und liegt bei 1,25 Prozent definitiv im expansiven Bereich. Aus diesem Grund dürfte die SNB das Pulver trocken halten für den Fall, dass sich der Preisauftrieb weiter abschwächt und gar deflationäre Tendenzen drohen.

Sollte die hiesigen Währungshüter anstelle von zwei nur eine weitere Leitzinssenkung in absehbarer Zeit vornehmen, dürfte dies trotzdem eine positive Wirkung an verschiedenen Fronten entfachen. Die SNB stärkt damit die Binnenkonjunktur. Dazu gehören der Immobilienmarkt und die Bauwirtschaft, aber auch der private Konsum kann profitieren, sagt Gitzel von der VP Bank. Noch einen Schritt weiter geht der Migrosbank-Ökonom und rechnet für 2025 mit einer soliden Konjunkturentwicklung, die gegenüber dem laufenden Jahr sogar noch Fahrt aufnehmen wird.

Einzig die Saron-Hypothekarnehmer sind in der Zwickmühle. Im Szenario mit einem möglichen Hinausschieben der zweiten Zinssenkung - diese würde den Leitzins von 1,25 auf 1,00 Prozent herunterbringen - müssen sich diese länger gedulden, bis sich die Zinskosten denjenigen von kurzlaufenden Festhypotheken annähern. Kommt es bis Ende 2025 nur zu einer Zinssenkung, bleibt die Saron-Hypothek die teurere Wahl als eine Festhypothek im Laufzeitenbereich von zwei bis fünf Jahren. 

Thomas Daniel Marti
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