Siemens hat nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg einen Weg gefunden, einen grossen Teil seiner Beteiligung an der Medizintechnik-Tochter an die eigenen Aktionäre auszuschütten. Der Münchner Technologiekonzern neige dazu, das Siemens-Healthineers-Aktienpaket durch eine «direkte Abspaltung» auf weniger als 40 Prozent abzubauen, und müsste seine Tochter dann nicht mehr in der eigenen Bilanz konsolidieren, berichtete Bloomberg am Freitag unter Berufung auf Personen, die mit der Angelegenheit vertraut seien. Eine Entscheidung sei aber noch nicht gefallen, Siemens prüfe weiter seine Optionen. Ein Siemens-Sprecher wollte sich dazu nicht äussern.

Die Entscheidung wird auf einer Aufsichtsratssitzung am kommenden Mittwoch (12. November) erwartet. Siemens hatte im Februar ein Paket von Healthineers-Aktien platziert, um mit dem Erlös von 1,4 Milliarden Euro die Übernahme der US-Softwarefirma Altair teilweise zu refinanzieren, und seine Beteiligung damit auf 71 Prozent gesenkt. Durch weitere Aktienverkäufe am Markt ist das Paket inzwischen Finanzkreisen zufolge auf weniger als 70 Prozent abgeschmolzen. Die Aktien sind knapp 35 Milliarden Euro wert. Siemens-Finanzvorstand Ralf Thomas hatte Ende 2024 einen Rückzug bei Siemens Healthineers ins Gespräch gebracht.

Siemens sei nach ersten Gesprächen mit den Finanzbehörden zuversichtlich, dass die Abgabe eines Teils der Healthineers-Aktien über eine Abspaltung an seine eigenen Aktionäre für diese nicht besonders steuerschädlich wäre, berichtete die Agentur. Die Hauptversammlung im kommenden Jahr müsste dem aber noch zustimmen. Eine Minderheitsbeteiligung könnte Siemens dem Bericht zufolge behalten, um mit einem späteren Verkauf weitere Übernahmen in seinem Kerngeschäft zu finanzieren.

Wie genau die Abgabe der Aktien funktionieren könnte, blieb zunächst unklar. Bei einer Ausschüttung als Sachdividende müsste Siemens nach einer Studie der Analysten von JPMorgan Steuern in Milliardenhöhe an das Finanzamt abführen. «Es gibt schlauere Wege, diesen Prozess zu strukturieren», schrieben die Experten.

Möglicherweise will Siemens die Healthineers-Aktien den eigenen Aktionären einfach in einem bestimmten Verhältnis in ihre Depots buchen. Das wäre juristisches Neuland. Denn das ist bisher in Deutschland nur bei der Abspaltung einer neu entstehenden Tochter üblich, die an die Börse gebracht wird. Auf diese Weise hatte sich etwa Continental vor kurzem von seiner Autozuliefer-Tochter Aumovio getrennt, ebenso Thyssenkrupp von seiner Marine-Tochter TKMS. In anderen europäischen Ländern und in den USA gebe es aber Vorbilder, wie ein Spin-off bei einem bestehenden Unternehmen funktionieren könne, schrieben die Analysten von Citi.

Finanzvorstand Thomas hatte die Debatte um die Beteiligung an Healthineers Ende des vergangenen Jahres vom Zaun gebrochen: Die Synergien mit dem Hersteller von MRTs und Laborstrassen aus Erlangen seien nicht gross genug, um ein so grosses Engagement bei Siemens Healthineers zu rechtfertigen, hatte er in einem Interview gesagt. Der Vorstand von Siemens Healthineers beklagt seit längerem den relativ niedrigen Streubesitz von 30 Prozent. Vorstandschef Bernd Montag hatte am Mittwoch gesagt, er wünsche sich rasch «Klarheit» von Siemens, was die Zukunft der Beteiligung betreffe.

Rätselraten bei Analysten

Analysten rätseln seit langem, wie der Münchner Konzern das viele Milliarden schwere Paket am besten loswerden könnte. Eine Serie von Aktienplatzierungen wäre schädlich für den Kurs der Healthineers-Aktie. Ein Verkauf an Finanzinvestoren gilt für diese unattraktiv, weil sie viel Geld ausgeben müssten, ohne Einfluss auf das Unternehmen zu haben. Mit einer Abgabe an den Pensionsfonds der Siemens-Belegschaft, wie es der Konzern mit mehreren Siemens-Energy-Aktienpaketen gemacht hatte, käme ebenso wie mit einer Verteilung an die Aktionäre kein Geld in die Kasse. 

(Reuters)