Das Thema Lohn sollte auch 2020 nicht völlig tabuisiert werden. Nicht nur, weil einige Branchen eine anständige oder überdurchschnittliche Performance geliefert haben, sondern auch, weil viele Mitarbeitende 2020 einen Sondereffort geleistet haben.
Wer sich allerdings bei dem Thema ungeschickt anstellt, kann bei seinen Vorgesetzten dennoch viel Kredit verspielen. Der Überblick:
Wer denkt in diesem Jahr an Lohnerhöhungen?
Obwohl wir die grösste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten erleben, läuft es nicht bei allen Firmen schlecht. "Online-Handel, Zulieferer von Dienstleistungen und Produkten im Zusammenhang mit Covid-19 haben sicher profitiert – und von daher wäre sicher Geld vorhanden", sagt der Salärexperte Urs Klingler.
Erfolgversprechend seien Forderungen für jene, die aussergewöhnliche Leistungen gebracht oder mehr Verantwortung übernommen haben. Dennoch warnt Urs Klingler vor zu hohen Erwartungen: "Der Zeitpunkt für dieses Thema ist etwas ungünstig. Ich empfehle, bis Mitte 2021 zu warten." Ausgeschlossen sind Erhöhungen in der Autozulieferer-, Luxusgüter-, Gastronomie- und Tourismusbranche.
Die Salärexperten der Beratungsfirma Kienbaum beobachten, dass in Branchen, die in der Pandemie profitieren, etwa im IT-Bereich, hohe Bonuszahlungen weiterhin üblich sind und gefordert werden können.
Ich fordere mehr Lohn. Ist das unsolidarisch?
Das hänge von der Situation der jeweiligen Firma ab, erklärt die Managementberaterin Katja Unkel. Gehöre die Firma zu den Gewinnern der Krise, und das vielleicht, weil Angestellte Zusatzschichten einlegen, dann müsse das honoriert werden.
"Ist die Firma jedoch in Schieflage geraten, dann würde ich ein anderes Wort als unsolidarisch wählen. Dann hat das für mich eher mit Realitätsverlust zu tun oder einer Art Nach-mir-die-Sintflut-Denken, sodass ich mich fragen würde, ob diese Angestellten die richtigen sind."
Mit dem Argument, dass die letzte Erhöhung bereits mehrere Jahre zurückliege oder man aus privaten Gründen unbedingt mehr Geld benötige, wird man in diesem Jahr auf jeden Fall keine merkbare Lohnerhöhung erhalten.
Wie sollen Chefs reagieren, wenn Mitarbeitende mehr Lohn wollen?
Wenn Mitarbeitende mehr Lohn fordern und der Vorgesetzte das als utopisch einschätzt und völlig überrascht ist, sollte er vielleicht seine Kommunikation überdenken: "Wenn ich als Firma im Krisenmodus bin, ist klares Kommunizieren gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unumgänglich", so die Managementexpertin Unkel.
Auch das Thema Lohn müsse adressiert werden, vor allem, wenn man vielleicht im Vorjahr eine Lohnerhöhung versprochen hat. Alle Mitarbeitenden verdienen Klarheit, um zu verstehen, warum sie keine Lohnerhöhung bekommen.
"Wenn ich sage ‹alle Mitarbeitenden›, so meine ich ausnahmslos alle, vom obersten Chef bis zur einzelnen, individuellen Mitarbeiterin."
Wie stehen die Chancen für Bankmitarbeitende?
"Die Resultate der Banken im Allgemeinen sind gut bis sehr gut; man kann deshalb davon ausgehen, dass die Angestellten gut gearbeitet haben", sagt Denise Chervet vom Schweizerischen Bankpersonalverband (SBPV).
"Diese Betrachtung ist dieses Jahr besonders angebracht, da es bei Homeoffice für den einzelnen Angestellten schwieriger ist, darzulegen, wie er oder sie gearbeitet hat. Am besten wäre es, wenn der Abteilungschef oder die Abteilungschefin sich stark macht für eine Lohnerhöhung für das ganze Team, so Chervet. "Lohnforderungen sind nicht per se aussichtslos."
Wenn eine Erhöhung mit dem Argument "Corona" abgeschmettert werde, könnten einzelne Mitarbeitende hingegen wenig unternehmen, so der SBPV. "Die Erfahrung hat gezeigt, dass Angestellte, die das Gefühl haben, nicht korrekt entlöhnt zu sein, innerlich kündigen und anderswo eine Stelle suchen, was für den Arbeitgeber unbefriedigend ist", sagt Chervet. Die Angestellten sollten ihre Enttäuschung ausdrücken und versuchen, über einen anderen Vorteil zu verhandeln.
Können Benefits die Erhöhung des Lohns ersetzen?
Hier sind Salärexperte Klingler und Managementberaterin Unkel eher skeptisch. Die Möglichkeit zum Homeoffice, die früher als Goodie verteilt wurde, falle in diesem Jahr ohnehin weg, weil alle im Zwangs-Homeoffice sitzen.
Auch Angebote wie Gratis-Gym oder eine besonders gute Kantine fallen in diesem Jahr und wohl auch noch Anfang 2021 flach, weil viele gar nicht ins Büro gehen dürfen. Unkel empfiehlt, die Lohn- und Anreizsysteme zu überdenken und zu analysieren, welche Angebote gar nicht mehr attraktiv sind und ersetzt werden müssen.
Haben Kader höhere Chancen auf ein Lohnplus?
"Auf Kaderebene wird der Druck auf die Vergütung durch die aktuelle Krise tendenziell verschärft", erklären Christina Gleim und Timon Forrer von der Salärberatungsfirma Kienbaum. "Hier werden Lohnerhöhungen erwartungsgemäss eher moderat ausfallen."
In diesen aussergewöhnlichen Zeiten hätte sich auch gezeigt, dass sich viele Managerinnen und Manager solidarisch gegenüber ihrem Arbeitgeber zeigen und aus Loyalität freiwillig auf einen Teil ihrer Vergütung verzichten.
Nicht zu unterschätzen ist hier der Einfluss der variablen Vergütung, welcher bei Kadern typischerweise viel höher ausgestaltet und meistens mit dem Unternehmenserfolg verzahnt ist.
Das heisst, die effektive Vergütung, also Grundsalär inklusive Bonus, wird bei vielen Kadern kurzfristig sogar abnehmen.
Welche Lohnpolitik gilt jetzt?
"Aufgrund qualitativer Umfragen können wir ausserdem sagen, dass die nächste Lohnrunde primär zwecks Stärkung der Salärhygiene verwendet wird", so die Kienbaum-Experten.
Das heisst, die vorhandenen Ressourcen werden gezielt bei einzelnen Mitarbeitenden eingesetzt, bei welchen eine deutliche Verwerfung zwischen Leistung und Potenzial und der Gesamtvergütung besteht.
Dieser Artikel erschien zuerst auf handelszeitung.ch unter dem Titel: "Lohn verhandeln während der Corona-Krise – wie geht das?"