"Man kann sicher sagen: Weltweit wurde die Inflation unterschätzt", sagte Thomas Jordan in Zürich. "Sehr wahrscheinlich hat man etwas zu lange gewartet." Die Unsicherheit sei allerdings auch "enorm gross" gewesen und das sei sie auch immer noch. "Auch die Zentralbanken machen Prognosefehler, das wird auch in Zukunft so sein", so der Chef der SNB.
Bei den Jahrestagungen von Internationalem Währungsfonds und Weltbank in New York wird Jordan nächste Woche die Gelegenheit haben, seine Ansichten direkt mit vielen seiner Kollegen bei anderen Notenbanken auszutauschen. Die SNB begann ihren Zinserhöhungszyklus im Juni mit einer Anhebung um 50 Basispunkte. Im vergangenen Monat folgten weitere 75 Basispunkte.
"Wir sind noch nicht über dem Berg"
Die Schweizer Inflationsrate hat sich kürzlich auf 3,3 Prozent verlangsamt. In Kommentaren, die am Sonntag im Schweizer Fernsehen ausgestrahlt werden, warnte Jordan jedoch, dass die Teuerung durchaus auch wieder anziehen könnte, bevor sie nachlässt. "Wir sind noch nicht über dem Berg", so Jordan.
Die SNB rechnet für das erstes Quartal nächsten Jahres bei den Verbraucherpreisen mit einer Teuerung von 3,4 Prozent. Gegen Ende 2023 sei dann mit einem Rückgang unter die Marke von 2 Prozent zu rechnen.
Aufwertung des Frankens zugelassen
In der Eurozone hat die Teuerung unlängst zweistellige Werte erreicht. Die Schweiz profitiert in puncto Inflation von der Stärke des Frankens, die die importierte Teuerung begrenzt. Laut Jordan hat die SNB ab 2021 damit begonnen, eine Aufwertung der Landeswährung zuzulassen.
Die SNB bezeichne den Franken nicht mehr als überbewertet, erklärte Jordan. Sollte die Währung jedoch zu stark oder zu schwach werden, sei die Notenbank bereit, mit Interventionen am Devisenmarkt gegenzusteuern. Ab welchen Marken dafür Grund bestehen würde, wollte er nicht sagen.
Im zweiten Quartal hatte die Zentralbank überraschend ihr Devisenportfolio verringert. Damit zog sie einen Schlussstrich unter die mehr als ein Jahrzehnt andauernden Bemühungen, die Währung unter Kontrolle zu halten. Im Gegenzug wertete der Franken über die Parität zum Euro auf.
Für den Dezember rechnen Volkswirte damit, dass die SNB die Zinsen zur Eindämmung der Inflation erneut heraufsetzen wird.
Jordan sagte zudem:
"In ihrem Basisszenario geht die SNB davon aus, dass die Schweiz im Gegensatz zu vielen Ländern der Eurozone eine Rezession vermeiden wirdDas Schweizer Wirtschaftswachstum wird sich nächstes Jahr noch deutlich verlangsamenDie Ergebnisse der Nationalbank für das dritte Quartal schauten "nicht allzu gut" aus. Ausschüttungen an Bund und Kantone für das Jahr seien deshalb zunehmend unwahrscheinlich"
(Bloomberg)
1 Kommentar
Hat dr. Thomas Jordan vor einer Woche nicht gesagt das die SNB nicht zu langsam war bei den Zinserhöhungen? Und starker SFR. Gegen den Dollar ja kaum. Sackschwach