Solche Forderungen seien aus einer ordnungspolitischen Perspektive "klar abzulehnen", sagte Jordan am Freitag in einem Referat an der Universität Luzern. Das würde eine Situation schaffen, in der die Erfüllung dieser Aufgaben direkt von der Geldpolitik abhängig werde, erklärte Jordan laut Redetext.

Vor allem aber stehe die Finanzierung von Staatsaufgaben durch die Nationalbank nicht im Einklang mit zwei zentralen ordnungspolitischen Prinzipien. Erstens müsse die Preisstabilität die massgebliche Richtschnur für die Geldpolitik darstellen und zweitens muss die Zentralbank unabhängig von der Politik sein, so Jordan.

Reserven weckten Begehrlichkeiten

Die gestiegenen Begehrlichkeiten dürften laut Jordan vor allem mit der Zunahme der SNB-Bilanz und den hohen Gewinnen der Notenbank in den vergangenen Jahren zu tun haben. Die hohen Gewinne hätten zu einem Anstieg der sogenannten Ausschüttungsreserve geführt, die Ende 2021 103 Milliarden Franken betrug.

Die guten Ergebnisse der vergangenen Jahre seien aber in einem aussergewöhnlichen Finanzmarktumfeld angefallen - und dieses Umfeld habe sich nun stark verändert. Der SNB-Chef erinnerte daran, dass die Nationalbank im ersten Halbjahr 2022 einen Verlust von rund 95 Milliarden Franken eingefahren habe, was praktisch der gesamten Ausschüttungsreserve entspreche.

Die Gewinnausschüttungspraxis SNB - maximal 6 Milliarden Franken pro Jahr an Bund und Kantone - sei somit nicht "übervorsichtig", wie oft kritisiert werde. Eine grössere Bilanz könne auch grosse Schwankungen der Jahresergebnisse nach sich ziehen. Das zeige klar, warum der Staat seine Finanzierung nicht von SNB-Gewinnen abhängig machen dürfe, betonte Jordan.

Volksinitiative «Nationalbankgewinne für die AHV»

Laut einer im Frühling 2022 lancierten Volksinitiative sollen Notenbankgelder die Altersvorsorge subventionieren. Die Sammelfrist für die Volksinitiative "Nationalbankgewinne für eine starke AHV" dauert bis November 2023. Hinter dem Begehren steht der Schweizerische Gewerkschaftsbund.

Gemäss einer von Raiffeisen in Auftrag gegebenen Umfrage sprechen sich 57 Prozent der Schweizer Bevölkerung dafür aus, dass die SNB zumindest einen Teil der Gewinne in die AHV einzahlt. Das "Raiffeisen-Vorsorgebarometer" wurde Mitte Juni erhoben - ihren hohen Halbjahresverlust gab die SNB erst einige Wochen später bekannt.

Weitere Zinserhöhungen nicht ausgeschlossen

Den letzten Teil seines Referats verwendete Jordan darauf, die am Vortag kommunizierte geldpolitische Entscheidung zu erläutern. Also die Erhöhung des SNB-Leitzinses um 0,75 Prozentpunkte auf 0,5 Prozent.

"Es ist nicht auszuschliessen, dass weitere Zinserhöhungen nötig sein werden, um die Preisstabilität in der mittleren Frist zu gewährleisten", erklärte Jordan erneut. Und die sei zudem bei Bedarf bereit, am Devisenmarkt aktiv zu sein.

(AWP)