«Niemand in der Schweiz mag Negativzinsen, auch die SNB nicht». Das sagte Martin Schlegel, Präsident der Schweizerischen Nationalbank, überraschend in seinen ersten Reden nach Amtsantritt im Herbst des letzten Jahres. Überraschend deshalb, weil sein Vorgänger Thomas Jordan das Wort immer vermieden hatte. Überraschend auch deshalb, weil der Leitzins damals noch bei 1 Prozent und damit relativ deutlich über der Nullgrenze lag.
Nun, einige Monate später, liegt der Leitzins in der Schweiz nach der jüngsten Zinssenkung der SNB am Donnerstag bei 0 Prozent. Er steht damit an der Grenze zum negativen Bereich. Und man muss sich nach den «Warnungen» von Schlegel bereits im letzten Jahr darauf einstellen, dass die SNB den Schritt in den Unternullbereich noch in diesem Jahr vollziehen wird. Je nach Inflationsentwicklung, dem Kursverlauf des Frankens und den ökonomischen und geopolitischen Entwicklungen im Ausland.
Damit hätten wir wieder die Situation der Jahre von 2015 bis 2022, als die Zinsen mehrheitlich bei minus 0,75 Prozent lagen. Jüngst wurde die Zeit der Negativzinsen etwas verharmlost. «Alles halb so schlimm», so der Tenor. Oder: Es mache nun mal keinen grossen Unterschied, ob die Zinsen bei 0,25 oder minus 0,25 Prozent lägen.
Einspruch. Zinsen im Negativbereich sind ein kräftiges Signal. Denn ob bei minus 0,25 oder bei minus 1 Prozent: Negativzinsen sind eine Perversion des Kapitalismus. Sparer werden abgestraft, Schuldner belohnt. Das Zinsdifferenzgeschäft der Banken und Finanzinstitute kommt unter Stress. Pensionskassen, die einen Grossteil ihrer Anlagegelder in Obligationen anlegen, müssen ihre Asset Allocation überdenken und tendenziell höhere Risiken eingehen.
Generell erhöht sich der Anlagenotstand. Investmentbereiche, die bereits in letzter Zeit angestiegen sind, blähen sich weiter auf. Dazu gehören Aktien, Gold und vor allem Immobilien. Ein Bereich, von dem ausgerechnet die SNB immer wieder vor Preisübertreibungen warnt.
«Negativzinsen sind etwas, das wir nicht leichtfertig einführen würden», «es gäbe grosse Nebenwirkungen», sagte SNB-Präsident Schlegel vor Journalisten am Donnerstag. Es bleibt zu hoffen, dass sich die SNB einen Zinsschritt in den Negativbereich lieber drei- als zweimal überlegt.
2 Kommentare
"Denn ob bei minus 0,25 oder bei minus 1 Prozent: Negativzinsen sind eine Perversion des Kapitalismus."
Danke Herr Hügli, endlich einmal ein kompetenter Finanz-Journalist, der das ausspricht.
Und juristisch gesehen gibt es "Negativzinsen" gar nicht. Deshalb hat Jordan diese Bezeichnung auch nie gebraucht.
Aber eben, von Bichsels Spassgesellschaft und der Beliebigkeit ist heutzutage leider nur noch die Beliebigkeit geblieben. Begleitet von Heerscharen von Psychiatern.
Negativzinsen sind Diebstahl von PK_Geldern