Die Wolke der Negativzinsen über der Schweiz wird immer dunkler. Unmittelbar nach der Negativzins-Einführung für Giroguthaben von Banken bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) Mitte Januar 2015 hatten Banken noch beteuert, dass Privatanleger keinen Strafzins bezahlen müssten. Doch bereits seit Anfang Jahr gibt die Alternative Bank den Negativzins nun an die Kleinkunden weiter, inzwischen macht sich auch die Migros Bank öffentlich Gedanken in diese Richtung (cash berichtete). 

Doch wie würden Bankkunden reagieren, wenn auf ihrem Sparkonto plötzlich ein Strafzins läge? cash-Leser zumindest würden nicht lange Fackeln, wie zahlreichen Kommentaren zum cash-Negativzins-Artikel vom Dienstag zu entnehmen ist: "Sollte meine Bank Negativzinsen auf Spargeldern einführen, bin ich am nächsten Tag am Schalter, hebe mein Erspartes bar ab und bewahre es in einem zwei Tonnen schweren Tresor auf", meint etwa User "Slängt" dazu. "Ich spare doch nicht Geld, dass ich dann den Banken gebe", sagt "Schorschi". Viele weitere Leser wollen dann ebenfalls in Bargeld flüchten oder zumindest auf eine alternative Anlagemöglichkeit (zum Beispiel Geld in dividendenstarke Aktien anlegen) zurückgreifen.

Hoher Kapitalabfluss erwartet

Das scheint nicht aus der Luft gegriffen. Benjamin Manz, Geschäftsführer des Vergleichdienstes Moneyland.ch, prophezeit im Falle einer plötzlichen Negativverzinsung von Sparkonten "einen grossflächigen Abzug der Kundengelder", wie er gegenüber cash sagt.

Untermauert wird diese These zusätzlich durch verschiedene Studien: GfK, das grösste Marktforschungsinstitut Deutschlands, kommt in einer Studie vom April 2016 zum Schluss, dass bei Minuszinsen auf Bankkonten rund 50 Prozent aller Deutschen ihr Geld in bar halten würden, 40 Prozent stattdessen ihr Geld in Aktien, Fonds oder Devisen anlegen würden und nur rund 10 Prozent ihr Konto unverändert stehen liessen.

Und nicht nur in Deutschland hätten negative Sparzinsen einen Exodus von Spargeldern zur Folge: Eine andere Studie der ING-Bank rechnet damit, dass in Europa in einem solchen Fall ungefähr drei Viertel aller Personen ihr Geld vom Sparkonto abheben würden, während die restlichen Befragten nichts tun oder gar noch mehr sparen würden.

Ein koordiniertes Vorgehen ist unwahrscheinlich

Ob Schweizer Sparer - die eher dafür bekannt sind, dass sie Bankkonten nicht so schnell wechseln oder aufgeben - bei Negativzinsen tatsächlich rasch handeln würden, lässt sich schwer erahnen. Dennoch machen die Studien deutlich: Beschliessen Schweizer Banken von sich aus gemeinsam Negativzinsen für alle Kontoinhaber einzuführen, droht ein Kapitalabfluss - was die Banken natürlich auch nicht wollen.

Manz hält denn auch ein solches koordiniertes Vorgehen aller Banken für nicht sehr wahrscheinlich. Auch aus einem anderen Grund: "Wer zuwartet, profitiert extrem von einem Neukundenzufluss", so Manz.

Die Überlegung dahinter: Macht eine Bank nicht mit und hält die Zinsen positiv oder zumindest bei null, kann sie von allen anderen Banken die Kundschaft abwerben. Wer umgekehrt als Pionier auftritt und Strafzinsen beordert, droht im Regen zu stehen. Daher will keine Bank die Vorreiterrolle übernehmen: "Wir werden mit Sicherheit bei diesem Thema nicht vorpreschen", sagte etwa Raiffeisen-CEO Patrik Gisel jüngst im cash-Video-Interview. Und so denken wohl die meisten Banken.

Ausserdem scheint eine gemeinsame Sache aller Banken ohnehin reine Utopie zu sein. Denn bereits jetzt - ohne Negativzinsen - sind die Differenzen zwischen den Sparkonto-Anbietern teils erheblich: der jährliche Zinssatz auf Sparkonten reicht von 0 bis zu 1,5 Prozent (siehe auch moneyland.ch). Von einer Absprache ist man meilenweit entfernt, man steht in direkter Konkurrenz zueinander.

Schleichende Einführung von Negativzinsen

Etwas wahrscheinlicher als ein flächendeckender Negativzins von heute auf morgen scheint die Variante "Negativzinsen light" zu sein. Etwa in der Form, dass Guthaben über 100‘000 Franken negativ verzinst werden, wie dies zum Beispiel die Bank Lombard Odier und andere bereits tun. Für diesen Fall empfiehlt Manz von Moneyland ein Umschichten der Gelder auf mehrere Konten bei verschiedenen Banken, um die Strafzinsen geschickt zu umgehen.

Die meisten Banken scheinen aber Negativzinsen für Private gänzlich zu scheuen. Wohl im Wissen, dass damit die Sparer verjagt würden. Gängigere Praxis ist daher der indirekte Weg über höhere Gebühren - was aber letzten Endes denselben Effekt erzielt. Damit stosse man bei Kunden eher auf Verständnis als mit Negativzinsen, sagte jüngst Felix Brill, CEO der Beratungsfirma Wellershoff & Partners zu cash. 

Doch der Gebühren-Trick der Banken bleibt nicht unbemerkt: "Die Negativzinsen sind schon längst Tatsache in Form von immer höheren Gebühren", kommentiert cash-Leser Stephan Fehlmann die Thematik. Und "Erwin" meint: "Die Banken werden keine Negativzinsen einführen, die Spesen aber umso mehr erhöhen. Sieht besser aus, aber ist im Endeffekt dasselbe.