In der Schweiz werden rund zwei von fünf Ehen geschieden. Oder anders gesagt: 38,3 Prozent aller geschlossenen Ehen enden, unabhängig von ihrer Dauer, vor dem Scheidungsrichter.
Mit der Änderung des Zivilstands von verheiratet zu geschieden wird es auch finanziell komplex. Viele denken dabei zuerst nur an das private Vermögen. Dass eine Scheidung aber auch die Vorsorgeleistungen der zweiten Säule massiv beeinflusst, gerät oft in den Hintergrund.
Hier wichtige Fragen und Antworten zum Thema Scheidung und Pensionskasse:
Wie wird das Guthaben der Pensionskasse bei einer Scheidung aufgeteilt?
Lässt sich ein Paar scheiden, werden die Gelder, die während der Ehedauer in die Pensionskasse eingezahlt wurden, zur Hälfte aufgeteilt. Das heisst: Selbst wenn die Beitragszahlungen aufgrund unterschiedlicher Löhne, Anstellungsbedingungen und Pensionskassenreglemente unterschiedlich hoch ausfallen, werden die eingezahlten Beiträge zusammengerechnet und durch zwei geteilt. So sieht es das Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) vor. Das gilt auch für die eingetragene Partnerschaft, nicht aber für das Konkubinat - denn aus dieser Lebensgemeinschaft ergeben sich keinen rechtlichen Verpflichtungen.
Hat der Güterstand Einfluss auf die Aufteilung der zweiten Säule?
Egal ob Errungenschaftsbeteiligung, Gütergemeinschaft oder Gütertrennung - wer sich scheiden lässt, muss unabhängig vom Güterstand das Pensionskassenguthaben zu gleichen Teilen teilen. Geld, das vor der Ehe und nach der Ehe in die Pensionskasse fliesst, bleibt sogenanntes Eigengut. «Es wird nur das Geld, das während der Ehedauer, also vom Heiratsdatum bis zur Einleitung des Scheidungsverfahrens eingezahlt wurde, geteilt», sagt Pensionskassen-Experte Mario Bucher. Noch vor wenigen Jahren wurde das Guthaben aus der zweiten Säule, das bis zum Abschluss der Scheidungsdauer eingezahlt wurde, ermittelt und geteilt.
Wie wird das aufzuteilende Guthaben ermittelt?
Hat das Paar die Scheidung eingereicht, tritt der Scheidungsrichter auf den Plan. Der fordert von den Pensionskassen sämtliche Einzahlungen, die die Betroffenen während der Ehedauer an die Kassen geleistet haben, aufzulisten. Gemeldet werden muss auch, ob sie Vorbezüge oder Verpfändungen für Wohneigentum getätigt oder freiwillige Einkäufe in die Pensionskasse vorgenommen haben. Das nennt man die Durchführbarkeitserklärung.
Basierend darauf ermittelt der Scheidungsrichter dann, um wie viel die Freizügigkeitsleistung während der Ehe gewachsen ist: Also die «Freizügigkeitsleistung im Zeitpunkt der Einleitung der Scheidung» minus «Freizügigkeitsleistung im Zeitpunkt der Heirat aufgezinst bis zur Scheidung» ergibt dann den «Zuwachs der Freizügigkeitsleistung während der Ehe». Zur Verdeutlichung dazu zwei Beispiele:
Ein Partner versichert, ein Partner unversichert | CHF |
Pensionskassenguthaben des Versicherten bei der Scheidung | 150'000 |
Pensionskassenguthaben des Versicherten bei der Heirat (inkl. Zinsen) | 75'000 |
Zuwachs | 75'000 |
Ausgleichszahlung an nicht versicherten Partner (50 Prozent vom Zuwachs) | 75'000 |
Beide Partner versichert, mit unterschiedlichen Einzahlungen | CHF |
Pensionskassenguthaben Versicherter 1 bei der Scheidung | 300'000 |
Pensionskassenguthaben Versicherter 1 bei der Heirat inkl. Zinsen | 150'000 |
Zuwachs Versicherter 1 | 150'000 |
Pensionskassenguthaben Versicherter 2 bei der Scheidung | 70'000 |
Pensionskassenguthaben Versicherter 2 bei der Heirat inkl. Zinsen | 30'000 |
Zuwachs Versicherter 2 | 40'000 |
Differenz Zuwachs Versicherter 1 - Versicherter 2 (150’000 - 40’000) | 110'000 |
Ausgleichszahlung Versicherter 1 an Versicherten 2 (50% von Differenz) | 55'000 |
(Quelle: Anlehnung an das Rechnungsbeispiel der Pensionskasse BVK)
Die Annahme liegt nahe, dass diejenigen, die viel einzahlen, verlieren - und diejenigen, die wenig einzahlen, gewinnen. Doch die stimmt für den Experten Bucher nur bedingt.
Das Bundesgesetz über die berufliche Vorsorge schützt hier Personen - meist sind es nach wie vor Frauen -, die in einer Ehe oder eingetragenen Partnerschaft die Kinderbetreuung übernehmen und dann gar nicht oder nur in geringem Umfang erwerbstätig sind, erläutert der Experte. Entsprechend hätten diese Personen Ausfälle in der Pensionskasse, für die sie im Falle einer Scheidung zur Hälfte entschädigt würden. «Wenn aber beide voll arbeiten und in die Pensionskasse einzahlen, dann kann es durchaus sein, dass einer der beiden 'verliert', weil er bessere Konditionen oder höhere Einzahlungen hat.»
Die Beispiele gelten für Personen im Angestelltenverhältnis. Wie ist es bei Selbständigerwerbenden?
Da Selbständige gesetzlich nicht verpflichtet sind, einer Pensionskasse beizutreten, gibt es im Falle einer Scheidung grundsätzlich auch nichts aufzuteilen. Ist ein Selbstständigerwerbender jedoch einer Pensionskasse angeschlossen, dann verhält es sich wie bei einem Angestelltenverhältnis. Komplizierter wird es, wenn es eine Mischform gibt. Beispielsweise, wenn einer der beiden selbstständig erwerbstätig ist und keiner Pensionskasse angeschlossen ist, der andere aber einer Pensionskasse versichert ist.
Wohin wird die Ausgleichszahlung überwiesen?
Das Geld wird nach Beschluss des Scheidungsrichters in einer Einmalzahlung an die Pensionskasse übertragen oder, falls dies nicht vorhanden ist, auf ein Freizügigkeitskonto eingezahlt. Das Geld darf nicht auf ein privates Vermögenskonto überwiesen werden, sondern muss in der beruflichen Vorsorge gebunden bleiben.
Welche Rolle spielt das Alter bei der Scheidung?
Ob man sich bereits in jungen Jahren oder erst ab 50 oder sogar erst nach der Pension scheiden lässt, hat auf das Verfahren grundsätzlich keinen grossen Einfluss. Klar ist: Wer nur kurz verheiratet ist, hat nicht viel zum Aufteilen. Je länger man verheiratet ist und je älter man wird, desto grösser werden die Beitragszahlungen und desto mehr Geld muss bei einer allfälligen Scheidung geteilt werden. «Je näher man an die Pensionierung rückt und sich scheiden lässt, desto grösser kann die Ausgleichszahlung ausfallen», sagt Bucher.
Was passiert, wenn man sich erst nach der Pension scheiden lässt?
Seit dem 1. Januar 2017 werden die Freizügigkeitsleistungen auch dann geteilt, wenn ein Ehegatte bereits pensioniert ist und Rente bezieht. Gemäss der Pensionskasse BVK gibt es dafür zwei Varianten:
1) Es wird ein hypothetisches Sparguthaben auf Basis der laufenden Rente berechnet, das anschliessend geteilt wird.
2) Es wird für den oder die Berechtigte ein lebenslanger Rentenanspruch auf Basis der laufenden Rente berechnet.
Mit der Scheidung entstehen Lücken in der zweiten Säule - können die gedeckt werden?
Reisst die Scheidung Lücken in die Vorsorgeleistung der zweiten Säule, können diese mittels eines Wiedereinkaufs geschlossen und von der Steuer abgezogen werden (Art. 79b BVG). «Die Sperrfrist von drei Jahren vor der Pensionierung gilt nicht für Wiedereinkäufe in die Pensionskasse aufgrund der Scheidung», sagt Bucher und führt ein Beispiel an: «Eine 62-jährige Frau möchte sich in ihre Pensionskasse einkaufen, um ihre Vorsorgeleistung zu verbessern und Steuern zu optimieren. Dann darf sie ihre Pensionskasse für die nächsten drei Jahre nicht als Kapital, sondern nur als Rente beziehen. Lässt sie sich nun scheiden und muss 150'000 Franken als Ausgleichszahlung an ihren Partner leisten, darf sie sich ohne Sperrfrist wieder in die Pensionskasse einkaufen.»
Interessierte würden deshalb häufig fragen, ob sie zuerst die regulären Einkäufe machen und erst kurz vor der Pensionierung die Scheidungsrückzahlung in die Pensionskasse leisten können, so Bucher. «Das ist aber nicht möglich. Das Gesetz schreibt vor, dass immer zuerst die Scheidungsrückzahlungen getätigt werden müssen.»
Wie ist es, wenn eine geschiedene Person nochmals heiratet und sich erneut scheiden lässt?
Lässt sich eine Person mehrmals scheiden, dann beginnt das Ganze bei jeder Scheidung wieder von vorne. Der Scheidungsrichter ermittelt die geleisteten Freizügigkeitsleistungen des Paares während der Ehedauer und berechnet daraus den Zuwachs, der zur Hälfte aufzuteilen ist. Leistungen aus früheren Ehen oder eingetragenen Partnerschaften sind jeweils schon eingerechnet.
Welche Fehler machen die Menschen bei einer Scheidung im Zusammenhang mit der Pensionskasse?
Laut Bucher von Pensexpert gibt es verschiedene Gründe, warum Menschen bei einer Scheidung immer wieder überrascht sind, wenn es um Ausgleichszahlungen in der zweiten Säule geht. Einerseits sei die berufliche Vorsorge in der Schweiz sehr komplex, und die grosse Mehrheit befasse sich nicht ausreichend damit, so der Experte. «Viele Leute wissen gar nicht, wie viel Geld sie in der zweiten Säule haben», sagt Bucher. Andererseits wolle sich niemand mit einer möglichen Scheidung auseinandersetzen, fügt Bucher hinzu. Das sei unangenehm und werde daher gerne vor sich hergeschoben.
1 Kommentar
im ersten Zahlenbeispiel ist ein Fehler drin... 37500 wären richtig...