Neues Jahr, neuer Anlauf: Die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer treffen sich Ende nächster Woche im südindischen Bangalore zu ihrem ersten grossen Treffen in diesem Jahr. Dabei sollen die Finanzminister und Notenbankchefs der G20-Gruppe wieder Schwung in die internationale Kooperation bringen, nachdem 2022 vom russischen Angriff auf die Ukraine überschattet war und dies die Diskussionen weitgehend gelähmt hat. Die Folgen des Krieges, der sich während des Treffens zum ersten Mal jährt, stehen zwar weiter oben auf der Agenda - angesichts der noch immer sehr hohen Inflation und der deutlich abgekühlten Weltwirtschaft. Andere Themen drängen aber und sollen vom G20-Gastgeber Indien in diesem Jahr vorangetrieben werden. In erster Linie geht es dabei um eine Entschuldung ärmerer Länder und die Regulierung von Kryptowerten.
Indien wills sich als diesjähriger G20-Vorsitzender Insidern zufolge vor allem für grössere Zugeständnisse der Gläubiger von hoch verschuldeten Schwellen- und Entwicklungsländern einsetzen. Die eigenen Nachbarn Sri Lanka, Pakistan und Bangladesch stehen allesamt unter massivem Druck und suchen Hilfe beim Internationalen Währungsfonds (IWF), dem im Finanzsystem die Rolle der Feuerwehr zukommt. Gläubiger sollen grössere Schuldenschnitte akzeptieren. Das würde vor allem China - einen der grössten Kreditgeber in Asien und Afrika - treffen.
Der bereits 2020 vereinbarte, in der Praxis aber noch nicht richtig funktionierende G20-Rahmen für spätere Rückzahlungen von Zinsverpflichtungen soll indischen Regierungsvertretern zufolge auf weitere Staaten ausgedehnt werden. Bislang ist dies nur für besonders arme Entwicklungsländer vorgesehen. Nun könnten auch Schwellenländer hinzugefügt werden, deren Schuldenstände in der Corona-Pandemie oft sprunghaft gestiegen sind. Auch hier dürfte China auf der Bremse stehen. Die Europäer unterstützen dagegen eine Prüfung in diese Richtung, wie aus einem EU-Papier zur Vorbereitung des G20-Treffens hervorgeht, das für den 23. bis 25. Februar angesetzt ist.
Laut Weltbank summieren sich die Zinskosten der ärmsten Länder der Welt zuletzt auf 62 Milliarden Dollar. Das ist ein Anstieg von 35 Prozent binnen zwölf Monaten, weswegen das Risiko von Staatspleiten zunimmt. Zwei Drittel der Forderungen gehören China.
"Enorme Gefahr"
Nach Angaben indischer Regierungsvertreter wird der Umgang mit Kryptowährungen zudem eine Priorität einnehmen. Die Notenbank des Landes hatte diese zuletzt als "enorme Gefahr" für die Finanzstabilität bezeichnet.
Der Krieg in der Ukraine sorge weiterhin für grosse Unsicherheit, heisst es zudem in dem Vorbereitungspapier der EU. Dadurch werde der wirtschaftliche Ausblick stark getrübt. "Internationale Kooperation ist entscheidend." Ob dies aber besser gelingt als im vergangenen Jahr, wird sich erst noch zeigen. Russland wird vermutlich weder seinen Finanzminister noch die Notenbankchefin nach Indien schicken.
Nach den Finanzministern werden Anfang März die Aussenminister der G20-Länder nach Neu-Delhi reisen. Dort dürfte der Krieg eine noch grössere Rolle spielen.
(Reuters)