"Wenn jetzt politisch nichts passiert, dann ist der Wohnungsbau am Ende", warnte der Bundesvorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau), Robert Feiger, am Dienstag. "Notwendig ist deshalb kein Weckruf mehr an die Politik. Notwendig ist ein Weckschrei." Die IG Bau fordert etwa ein Sondervermögen von 50 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau.

"Nur dann kann es noch klappen, 100'000 Sozialwohnungen pro Jahr zu bauen", sagte Feiger. 22 Milliarden Euro sollten für bezahlbaren Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden, um 60'000 Wohnungen pro Jahr mit einer Kaltmiete zwischen 8,50 und 12,50 Euro pro Quadratmeter bereitstellen zu können.

Zuvor hatte das Statistische Bundesamt gemeldet, dass die Zahl der fertiggestellten Wohnungen im vergangenen Jahr zwar um 0,6 Prozent auf 295'300 gestiegen ist, das von der Bundesregierung ausgegebene Ziel von 400'000 aber erneut klar verfehlt wurde. Die Bauindustrie geht davon aus, dass dieses Ziel weiter verfehlt wird.

"Für das laufende Jahr rechnen wir bestenfalls mit 250.000 fertiggestellten Wohnungen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes, Tim-Oliver Müller. "Gerade in den Ballungsgebieten und ihrem Umland wird damit die Wohnungsnot zementiert." Auch 2024 sei kaum Besserung in Sicht. Die Fertigstellungen dürften angesichts dramatisch eingebrochener Baugenehmigungen weiter sinken.

Ähnlich schätzt dies das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ein. "Es ist äusserst wahrscheinlich, dass sich diese schwache Entwicklung angesichts der stark abnehmenden Zahl der Baugenehmigungen auch im laufenden Jahr fortsetzen wird", sagte DIW-Experte Konstantin Kholodilin. "Gestiegene Zinssätze sowie deutlich höhere Bau- und Energiekosten spielen dabei eine bedeutende Rolle."

Hinzu komme, dass so mancher Bauträger auch aufgrund geplanter Gesetze und damit verbundener Unsicherheiten zögere. "Preisregulierung und Wohnraumlenkung können das Problem kaum lösen, während die Erweiterung der Wohngeld- und Bauförderung angesichts der damit verbundenen Inflationsgefahr und steigender Staatsverschuldung immer problematischer wird.", sagte der Experte.

Die Bauindustrie fordert die Politik auf, Vertrauen wiederherzustellen, damit Investoren zurück an den Markt kommen. "Der Dreiklang aus einer verlässlichen Neubauförderung, Steueranreizen und weniger Regulierung muss endlich Gehör finden", sagte Hauptgeschäftsführer Müller.

"Die Ampelkoalition muss dringend Investoren für den Wohnungsneubau motivieren, dafür braucht es verlässliche Marktbedingungen." Insbesondere die Entschlackung der Überregulierung am Bau sei ein Hebel, Baukosten und damit Preise zu senken – etwa im Bereich der Baustandards oder der Gebäudeenergieeffizienz.

(Reuters)