Die Verbraucherpreise legten im November nur noch um 2,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu, wie das Statistikamt Eurostat am Donnerstag mitteilte. Das ist die geringste Inflation seit Juli 2021. Volkswirte hatten mit einer höheren Rate von 2,7 Prozent gerechnet. In ersten Reaktionen hiess es dazu:
Fritzi Kohler-Geib, KFW-Chefsvolkswirtin:
«Inmitten der Serie schwacher Wirtschaftsdaten sorgen die europäischen Inflationszahlen für einen Lichtblick. Überlegungen zu Leitzinssenkungen kämen dennoch viel zu früh. Das zeigt der Blick auf die immer noch deutlich zu hohe Kernrate. In den nächsten Monaten werden die zurzeit stark inflationsdämpfenden Effekte der gesunkenen Energiepreise rasch verschwinden. Bereits im Dezember könnte auch bei der Gesamtrate wieder eine Drei vor dem Komma stehen. Beharrlichkeit ist deshalb für die EZB das Gebot der Stunde. Ich erwarte, dass Christine Lagarde dies anlässlich des kommenden Zinsentscheids klar kommunizieren wird.»
Thomas Gitzel, Chefvolkswirt VP Bank:
«Es ist davon auszugehen, dass die Inflationsrate zur Jahresmitte 2024 auf oder zumindest in der Nähe des EZB-Ziels von zwei Prozent liegen wird – auch im Bereich der Kernteuerung. Damit eröffnet sich für die EZB erheblicher Zinssenkungsspielraum. Läge im zweiten Halbjahr die Inflationsrate bei zwei Prozent und würden die Leitzinsen um 100 Basispunkte gesenkt, wäre die EZB bei einem dann gültigen Einlagensatz von drei Prozent noch immer restriktiv. Will heissen: Die grossen Notenbanken haben deutlichen Spielraum für Zinssenkungen, ohne damit den geldpolitisch restriktiven Bereich verlassen zu müssen.»
Alexander Krüger, Chefvolkswirt Bankhaus Lampe:
«Die Inflationsentspannung hält an. Vor einem Jahr war die Inflationsrate noch zweistellig. Durch einen Basiseffekt wird das Inflationspendel im Dezember vorübergehend in die andere Richtung ausschlagen. Das EZB-Preisziel ist am Horizont weiter sichtbar, der Weg dorthin aber beschwerlich. Die EZB wird vorerst geduldig bleiben und die Leitzinsen da belassen, wo sie zurzeit sind.»
Jörg Krämer, Chefökonom Commerzbank:
«Dass die Inflation so deutlich nach unten überrascht hat, liegt vor allem an der rückläufigen Teuerungsrate bei Dienstleistungen. Aber dieser Abwärtstrend wird sich auf Dauer nicht fortsetzen, weil sich der Lohnanstieg im Euroraum massiv beschleunigt hat. So sehen die zuletzt abgeschlossenen Tarifverträge ein Plus von sechs Prozent vor. Es ist verfrüht, einen Sieg über die Inflation zu verkünden. Auch nach den Energiepreisschocks der 70er Jahre war die Inflation in vielen Ländern so rasch gefallen wie zuletzt im Euroraum. Aber laut einer Studie des Internationalen Währungsfonds pendelte sich die Inflation in der Hälfte der Fälle am Ende bei Raten ein, die deutlich höher waren als vor den jeweiligen Inflationsschocks.»
(Reuters)