2023 ist ein Jahr zum Vergessen für die deutsche Wirtschaft. Hohe Zinsen, gestiegene Materialkosten, hartnäckige Inflation und eine schwache Weltkonjunktur dürften sie schrumpfen lassen. Und doch mehren sich mittlerweile die Anzeichen dafür, dass das Schlimmste hinter Europas grösster Volkswirtschaft liegen dürfte. «Der dichte Nebel lichtet sich», sagt etwa der Konjunkturanalyst der DZ Bank, Christoph Swonke. Das spricht dafür:

Industrieaufträge

Die exportlastige Industrie hat ihre Produktion zuletzt vier Monate in Folge gedrosselt. Doch mittlerweile gibt es Hinweise auf eine Stabilisierung: Von Juni bis August etwa legten die Industrieaufträge um 4,9 Prozent im Vergleich zu den vorangegangenen drei Monaten zu. Das wachsende Neugeschäft kommt zur rechten Zeit, denn die während der Corona-Pandemie liegen gebliebenen Bestellungen sind mittlerweile weitgehend abgearbeitet.

Baugeschäft

Auch am krisengeschüttelten Bau gibt es kleine Lichtblicke. Dank Grossprojekten wie etwa im Bahnbereich fuhr das Bauhauptgewerbe im August das grösste Auftragsplus seit Dezember 2021 ein: Das Neugeschäft wuchs inflationsbereinigt (real) um 10,8 Prozent zum Vormonat. Bereits im Juli hatte es mit 9,6 Prozent ein aussergewöhnlich kräftiges Wachstum gegeben. Ein grosser Wermutstropfen bleibt: Der Wohnungsbau dürfte bis auf weiteres vor sich hin dümpeln, weil viele Bauherren wegen der stark gestiegenen Finanzierungs- und Materialkosten keine neuen Projekte wagen.

Stimmung

Auch erste Stimmungsindikatoren signalisieren ein Ende der Talfahrt. Das Barometer für das Ifo-Geschäftsklima kletterte im Oktober erstmals seit einem halben Jahr - und das deutlich kräftiger als erwartet, und zwar um 1,1 Punkte auf 86,9 Punkte. «Die deutsche Wirtschaft sieht Licht am Ende des Tunnels», kommentierte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe.

Börsenprofis bewerten die Aussichten für die deutsche Wirtschaft im Oktober trotz neuer Risiken durch die Eskalation im Nahen Osten so gut wie seit einem halben Jahr nicht mehr. Das Barometer zur Einschätzung der Konjunktur in den nächsten sechs Monaten stieg den dritten Monat in Folge - um überraschend kräftige 10,3 Punkte auf minus 1,1 Zähler, wie das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) bei seiner Umfrage unter 164 Analysten und Anlegern herausfand. «Die Talsohle ist erreicht», sagte ZEW-Präsident Achim Wambach.

Auslandsnachfrage

Das Exportgeschäft läuft in diesem Jahr bislang schleppend - nicht zuletzt wegen der in vielen Industrieländern gestiegenen Zinsen, die die Finanzierung von Waren «Made in Germany» verteuern. Doch auch hier gibt es Hoffung: Der wichtigste deutsche Handelspartner China wuchs im dritten Quartal mit rund fünf Prozent zum Vorjahreszeitraum überraschend kräftig. Auch in der weltgrössten Volkswirtschaft USA sieht es mittlerweile so aus, als ob die wegen der dortigen Zinserhöhungen erwartete Rezession sehr mild ausfällt - oder sogar ganz ausbleibt.

Inflation und Konsum

Die Teuerungsrate ist so niedrig wie seit dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine im Februar 2022 nicht mehr: Sie sank im September auf 4,5 Prozent. Ökonomen gehen davon aus, dass am Jahresende eine Drei vor dem Komma stehen dürfte. Das bedeutet, dass die Kaufkraft vieler Verbraucher wegen der teils kräftig gestiegenen Löhne wieder steigt. Noch allerdings gibt es keine Hinweise auf einen Kaufrausch, im Gegenteil: Das vom Institut für Marktentscheidungen (NIM) für November ermittelte Konsumklima trübte sich sogar ein. «Mit rückläufiger Inflation verbessert sich sukzessive die Position der Konsumenten», erwarten jedoch die Analysten der NordLB. «Dank anhaltenden Nominallohnzuwächsen werden die real verfügbaren Einkommen dann 2024 wachsen.» Das sieht auch KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib so. Steigende Reallöhne dürften den Konsum «früher oder später anschieben».

Konjunkturprognosen

Steht damit der deutschen Wirtschaft ein neuer Aufschwung ins Haus? Eher nicht, sind sich die meisten Ökonomen einig. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer etwa rechnet damit, dass das Bruttoinlandsprodukt im laufenden Winterhalbjahr leicht schrumpfen könnte. «Nach unserer Prognose sollte die milde Rezession im Frühjahr nächsten Jahres enden», sagt Krämer. «Aber dann dürfte keine kräftige Erholung einsetzen.» Zum einen wirkten die massiven Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) nach. Zum anderen sieht der Experte viele Unternehmen wegen der Wirtschafts- und Klimapolitik der Bundesregierung verunsichert.

(Reuters)