Stadler Rail dürfte ein durchzogenes erstes Halbjahresergebnis erzielt haben. So stellt sich die Frage, wie stark der Konzern noch von den Folgen der Unwetter des vergangenen Jahres betroffen ist, welche die Produktion in den Werken von Stadler und von wichtigen Zulieferern im Wallis, in Spanien und Österreich gestört hatten.
Im vergangenen Jahr musste der Zughersteller rund 350 Millionen Franken Umsatz von 2024 in die Jahre 2025 und 2026 verschieben. Interessant wird sein, wie viel davon die Ostschweizer schon abarbeiten konnten.
Von AWP befragte Analysten den Erstsemesterumsatz bei 1,41 Milliarden Franken, nach 1,29 Milliarden Franken im ersten Semester 2024. Der Auftragseingang dürfte auf 2,27 Milliarden von 2,55 Milliarden Franken geschmolzen haben. Denn im ersten Halbjahr kam nur ein sehr grosser Auftrag herein.
Den operativen Gewinn (Ebit) schätzen die Experten auf 32,4 Millionen Franken (Vorjahr: 28,2 Millionen Franken). Die entsprechende Marge wird sich voraussichtlich auf 2,3 von 2,2 Prozent erweitert haben. Unter dem Strich sagen die Prognosen einen um 500'000 Franken tieferen Reingewinn von 27 Millionen Franken voraus.
Die US-Zölle sowohl für Importe aus der Schweiz als auch der EU treffen Stadler nicht in vollem Ausmass. Bereits seit 2016 muss Stadler in den USA den Buy-America-Act erfüllen. Dieser sieht aktuell vor, dass mindestens 70 Prozent des Wertschöpfungsanteils nachweislich in den USA erbracht werden. Aktuell erbringt Stadler Nordamerika zwischen 70 und 80 Prozent der Wertschöpfung in den USA.
Von den restlichen 20 bis 30 Prozent stammt bereits heute ein Teil der Zulieferer aus Europa, mit dem tieferen Zollsatz von 15 Prozent. Stadler analysiert aktuell sämtliche Lieferketten mit dem Ziel, den Anteil der unter die hohen Strafzölle fallenden Komponenten weiter zu reduzieren. Zudem hat sich das Unternehmen aus Bussnang vertraglich gegen einen Teil der anfallenden Mehrkosten abgesichert.
Stadler strebt höhere Gewinnmarge an
Wegen der massiven Folgen der Naturkatastrophen wollte Stadler im März bei der Veröffentlichung der Jahreszahlen 2024 keinen detaillierten Ausblick zum Geschäftsjahr 2025 abgeben. Im laufenden Jahr soll der Umsatz wieder steigen und die Ebit-Marge sich auf 4 bis 5 Prozent verbessern (2024: 3,1 Prozent).
Aufgrund der guten Auftragslage und der höheren Produktion rechnet der Konzern bis 2026 mit einem starken Umsatzwachstum auf deutlich über 5 Milliarden Franken. Mittel- bis langfristig erwartet Stadler einen Anstieg der Ebit-Marge auf 6 bis 8 Prozent. Für 2026 habe man schon 95 Prozent des Umsatzes in den Büchern, sagte Finanzchef Raphael Widmer im März.
Mehrere Aufträge erhalten
Stadler Rail hat wieder eine Reihe von Aufträgen an Land gezogen: Der grösste Auftrag stammt von den Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB), die für knapp 700 Millionen Euro 132 Hochflur-Stadtbahnen bestellt haben.
Stadler wird auch vier Tramlink-Strassenbahnen an die Thüringer Waldbahn und die Strassenbahn Gotha Gmbh liefern. Sieben Tramlink V3-Strassenbahnen gehen an die Ferrocarrils de la Generalitat de Catalunya (FGC). Der Auftrag umfasst Ersatzteile und einen Voll-Service-Wartungsvertrag für 15 Jahre.
In der Schweiz haben die Berner Oberland-Bahnen (BOB) für 50 Millionen Franken fünf weitere Triebzüge bestellt. Für die Bahngesellschaft Transports Montreux-Vevey-Riviera (MVR) baut Stadler acht Zahnradbahnen.
Auch im Ausland wurden Züge verkauft: Die dänische Lokaltog bestellt zehn batteriebetriebene FLIRT Akku-Züge. Für die schwedische AB Transitio soll Stadler 13 zusätzliche KISS-Doppelstocktriebzüge bauen, die ab 2028 ausgeliefert werden. Ebenfalls nach Schweden liefert für die Bahngesellschaft A-Train AB sieben Flirt-Züge. Und die Ostdeutsche Eisenbahn GmbH (ODEG) hat 14 batterieelektrische Triebzüge vom Typ FLIRT Akku bestellt, die ab Dezember 2027 in Westmecklenburg zum Einsatz kommen sollen.
19 Flirt-Akku-Züge sind als batterieelektrische Triebzüge für das Akku-Netz in Mittelthüringen von DB Regio vorgesehen. In die Slowakei gehen bis zu vier zusätzliche Doppelstockzüge des Typs «Kiss» für den Regionalverkehr zwischen Bratislava und Žilina im Wert von rund 100 Millionen Euro.
In Frankreich haben die Chemins de fer de Provence (CP) acht hybridbetriebene Triebzüge für das Schmalspurnetz bestellt. In Polen hat die Regionalbahn Koleje Mazowieckie 14 weitere Flirt-Triebzüge geordert.
Aktie im laufenden Jahr besser als der SPI
Im laufenden Jahr ist die Aktie des Zugbauers um rund 15 Prozent vorgerückt und hat somit den Gesamtmarkt gemessen am Swiss Performance Index übertroffen. Dieser hat knapp 10 Prozent zugelegt.
Aktuell notieren die Titel der Bussnanger bei 22,70 Franken - leicht über dem durchschnittlichen Kursziel, das 21,95 Franken beträgt. Sieben von neun Analysten raten zum Halten der Aktie, zwei empfehlen «Verkaufen». Kaufempfehlungen gibt es nicht.
(AWP)