Die Investoren haben sich in jüngster Zeit wieder optimistisch gezeigt. Der Schweizer Leitaktienindex SMI steht bei über 11’300 Punkten, der US-Aktienindex S&P500 bei rund 4200 Punkten. Damit sind beide Indizes nur noch rund 13 Prozent von ihren jeweiligen Allzeithochs entfernt. Und viele kurzfristige Indikatoren deuten darauf hin, dass die Anleger und Anlegerinnen weiterhin auf Aktien setzen wollen.

Allerdings sind einige dunkle Wolken am blauen Investment-Himmel aufgezogen. So ist beispielsweise die US-Zinsstrukturkurve noch einmal stärker invertiert als vorher schon. Ein schlechtes Omen. Denn: Normalerweise sind lang laufende Anleihen höher verzinst als kurz laufende. Das ist aktuell anders. Insbesondere sind die Zinsen für zehnjährige US-Staatsanleihen im Verhältnis zu jenen für 3-Monats-Schatzwechsel so tief wie nie seit den frühen achtziger Jahren. Und noch schlimmer: Es hat noch nie eine derart ausgeprägte Umkehrung der Zinsen gegeben, ohne dass eine Rezession folgte.

Zudem hat die US-Notenbank Fed in ihren jüngst veröffentlichten Sitzungsprotokollen eine ominöse Formulierung benutzt. "Zum Zeitpunkt der Sitzung im März prognostizieren wir eine leichte Rezession, die später in diesem Jahr beginnt, mit einer Erholung in den folgenden zwei Jahren", beschieden die Notenbanker der Öffentlichkeit.

In den Ohren vieler Anleger klingt das harmlos. Aber das ist es nicht. Denn die Fed achtete bisher immer streng darauf, das Wort "Rezession" in ihren Verlautbarungen zu vermeiden. Selbst vor dem Platzen der Dotcom-Blase und vor der globalen Finanzkrise nutzte die Fed euphemistische Umschreibungen, etwa die, dass es zu einer "sanften Landung" kommen werde. Dies aus Angst vor unerwünschten Reaktionen an den Finanzmärkten, wenn die Notenbank auf eine mögliche oder sogar wahrscheinliche Rezession hinweist. 

Jetzt stellen sich manche Investoren die Frage: Wenn der weltweite Kredit-Crash von 2008 und die globale Finanzkrise mit Worten über eine sanfte Landung der Wirtschaft eingeläutet wurden, womit muss man dann rechnen, wenn die Fed das viel stärkere Wort "Rezession" verwendet?

Null Angst an den Märkten

Die Finanzmärkte bleiben aller Warnsignale zum Trotz im Optimisten-Modus. Denn aktuell dominiert vor allem die Erleichterung über sinkende Inflationszahlen. Damit verbunden sind Hoffnungen auf baldige Zinssenkungen und lockere Finanzbedingungen, was als begünstigend für die Börsen angesehen wird. Zudem überraschten die grossen Banken positiv, welche mit ihren Quartalszahlen jeweils die Berichtssaison einläuten.

Allerdings sind diese positiven Überraschungen kein Wunder. Denn in den letzten Wochen kam es zum üblichen Spiel: Die Analysten reduzierten ihre Gewinnschätzungen so stark, dass es den meisten Unternehmen leichtfallen sollte, die Schätzungen zu übertreffen. Es sind daher nicht die übertroffenen Gewinnerwartungen, auf welche die Investoren achten sollten, es sind die Prognosen der Unternehmen für die nächsten Quartale.

Diese geben Auskunft darüber, wie wahrscheinlich es ist, dass die Firmen die aktuell hohen Gewinnmargen aufrechterhalten können, trotz einer schwächeren Konjunktur und der nachlassenden Inflation. Letztere wurde häufig als Ausrede benutzt, um die Preise so weit anzuheben, dass es zu einer Ausweitung der Gewinnmargen kam.

Zusammengefasst: Viele Anleger und Anlegerinnen haben eine so optimistische Sicht auf die Börsen- und Wirtschaftsentwicklung, dass sie von den langfristigen Wachstumstrends deutlich nach oben abweicht. Warnsignale werden übersehen. Insofern scheinen die Erwartungen übertrieben. Und sollten die Prognosen der Unternehmen für die nächsten Quartale tatsächlich weniger gut ausfallen als erhofft, ist eine Korrektur wahrscheinlich.