‌In Deutschland erklärte Justizministerin Stefanie Hubig am Mittwoch: «Die Vorwürfe der US-Administration gegen die Geschäftsführerinnen von HateAid sind inakzeptabel.» Frankreichs Präsident Emmanuel Macron setzte die Massnahmen mit einer Einschüchterung und Nötigung gleich. Auch die EU-Kommission schloss sich der Kritik an und stellte Vergeltungsmassnahmen in Aussicht.

Die US-Regierung unter Präsident Donald Trump hat Visa-Sperren gegen ​fünf Personen verhängt. Betroffen sind der ehemalige EU-Kommissar Thierry Breton und die Gründerinnen der deutschen Organisation HateAid, ‌Anna-Lena von Hodenberg und Josephine Ballon. HateAid tritt nach eigenen Angaben ‌für demokratische Grundwerte ein und will Hilfe gegen Hassrede leisten. Ziel der Sanktionen sind auch Imran Ahmed, der britische Chef des in den USA ansässigen Center for Countering Digital Hate, sowie Clare Melford, Mitbegründerin des Global Disinformation Index (GDI).

«HateAid unterstützt Betroffene von rechtswidriger digitaler Hassrede», teilte Hubig mit. Die Organisation leiste einen wichtigen Beitrag zum Schutz von Persönlichkeitsrechten im digitalen Raum. «Wer das als Zensur bezeichnet, stellt unser rechtsstaatliches System falsch dar», ⁠erklärte die SPD-Politikerin. HateAid unterstütze Betroffene, aber verbiete keine Meinungsäusserungen. Sie betonte: «Nach welchen Regeln wir in Deutschland und in Europa im digitalen Raum leben wollen, wird nicht in Washington entschieden.» Die Massnahmen der US-Regierung zeigten, dass das zivilgesellschaftliche Engagement mächtigen Plattformen unbequem sei.

Macron: Werden digitale Souveränität verteidigen

Macron erklärte, ​die US-Massnahmen zielten darauf ab, die europäische digitale Souveränität zu untergraben. Man werde gemeinsam mit der EU-Kommission ‌und den europäischen Partnern weiterhin die digitale Souveränität und die regulatorische Autonomie verteidigen, fügte er ‍hinzu. Die EU habe von den USA eine Begründung für die Einreise-Verbote verlangt, erklärte ein Sprecher der EU-Kommission. «Falls nötig, werden wir rasch und entschlossen reagieren, um unsere Vorschriften ​gegen ungerechtfertigte Massnahmen zu verteidigen.» Der EU-Binnenmarktkommissar, Stéphane Séjourné, kündigte an: «Keine Sanktion wird die Souveränität der europäischen Völker zum Schweigen bringen.»

Breton zählt zu den Betroffenen der Einreiseverbote, weil er als einer der Väter des EU-Gesetzes über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) gilt, das bereits gegen grosse US-Technologiekonzerne angewendet wurde. ‌Der französische Aussenminister Jean-Noël Barrot schrieb dazu auf X: «Das Gesetz über digitale Dienste wurde ⁠in Europa demokratisch verabschiedet, um sicherzustellen, dass das, was offline illegal ist, auch online ‌illegal ist.»

US-Aussenminister Marco Rubio hatte am Dienstag erklärt, die fünf mit Visa-Sperren belegten Personen hätten organisierte Anstrengungen unternommen, um amerikanische Plattformen zu zwingen, von ihnen abgelehnte amerikanische Standpunkte zu zensieren, ‍ihnen Einnahmequellen zu entziehen und sie zu unterdrücken. Die Visa-Sperren folgen auf die Veröffentlichung der Nationalen Sicherheitsstrategie der Regierung. Darin hiess es, europäische Politiker würden die freie Meinungsäusserung zensieren und riskierten eine zivilisatorische Auslöschung des Kontinents.

Hodenberg und Ballon erklärten in ​einer Stellungnahme, die Visa-Sperren seien ein Versuch, die Durchsetzung europäischen Rechts bei in Europa tätigen US-Konzernen zu behindern. «Wir ‍lassen uns nicht von einer Regierung einschüchtern, die Zensurvorwürfe nutzt, um diejenigen zum Schweigen zu bringen, die sich für Menschenrechte und Meinungsfreiheit einsetzen», teilten sie mit. Ein Sprecher des GDI kritisierte das Vorgehen der USA als unmoralisch, ungesetzlich und unamerikanisch.

(Reuters)