Nach Daimler, das seine Lkw-Sparte ebenfalls an die Börse bringen will, rüttelt nun also auch VW an seinen Strukturen. Die beiden deutschen Traditionsfirmen haben die globale Pandemie zwar besser gemeistert als befürchtet und sind sogar profitabel geblieben. Doch was die Börsenbewertung angeht, ist ihnen der US-Rivale Tesla mit dem Trend zum Elektroauto weit enteilt.

Kein Automobil-Boss hat dies so offen und so häufig beklagt wie Herbert Diess. Der 62-jährige VW-Chef betont gebetsmühlenartig, dass sich VW schneller wandeln muss, um nicht in der Verbrennerwelt stecken zu bleiben. Die Option eines Porsche-Börsengangs zeugt von diesem Drang.

VWs vergleichsweise niedriger Marktwert führt zu einem Verlust an Schlagkraft und ist deshalb "ein gravierender Nachteil", sagte Bankhaus Metzler Analyst Jürgen Pieper. "Ein Porsche-IPO wäre der Königsweg."

Porsche ist für Investoren hoch-attraktiv. Bloomberg Intelligence-Analyst Michael Dean geht davon aus, dass der Hersteller der 911-Boliden eine Börsenbewertung von 110 Milliarden Euro erzielen könnte - rund 20 Milliarden Euro mehr als der derzeitige Wert von VW selbst.

Doch um diesen Wert zu heben, muss Diess zuerst die verkrusteten Konzernstrukturen aufweichen, die schon andere Reformversuche in Wolfsburg verhindert haben. Wichtige Entscheidungen müssen weiterhin von den einflussreichen aber zerstrittenen Großaktionären abgesegnet werden - die Familien Porsche und Piech und das Land Niedersachsen, das tendenziell auf der Seite der Gewerkschaften steht.

Harte Schnitte

Teslas Aufstieg hat Diess das klare Signal gesendet, dass harte Schnitte nötig sind, um die Kapitalmärkte besser zu erreichen. Erst kürzlich hat Daimler sich nach jahrelangem internen Widerstand entschieden, seine Lkw-Sparte auszulagern. Die Aktien sind seither um 13 Prozent gestiegen und bewegen sich in der Nähe eines Dreijahreshochs.

VW scheut bei seinen Bemühungen Tesla einzuholen keine Kosten. Der Autobauer hat etwas mehr als die Hälfte seines 150-Milliarden-Euro-Budgets für Investitionen in Elektroautos und Software reserviert. Die Erlöse einer Börsennotierung von Porsche könnten VW also durchaus helfen. Die Marktstärke und das Luxusversprechen der Sparte ist durchaus vergleichbar mit Ferrari, deren Abspaltung eine der seltenen Erfolgsgeschichten traditioneller Automobilunternehmen ist.

Fiat Chrysler hat den Luxus-Sportwagenhersteller im Jahr 2015 and die Börse gebracht. Seither sind die Ferrari-Aktien um 282 Prozent gestiegen. Allein die Erlöse des Porsche 911 übersteigen laut dem BI-Analysten Dean wahrscheinlich Ferraris Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen. Porsche hat auch eine starke elektrische Geschichte zu erzählen: Der Erfolg des 2019 eingeführten Taycan-Modells deutet darauf hin, dass bis 2025 etwa die Hälfte des Umsatzes mit batteriebetriebenen Fahrzeugen erzielt werden kann.

Dennoch ist ein Börsengang alles andere als sicher. VW hat schon vor einem halben Jahrzehnt eine Überprüfung begonnen um die Konzernstruktur zu verschlanken. Die Ergebnisse der Reformbemühungen waren bislang bescheiden. Versuche, sich von Nischenmarken wie Ducati und Lamborghini zu trennen, wurden untergraben. Der verkleinerte Börsengang der Lkw-Sparte Traton SE im Jahr 2019 wurde durch interne Streitigkeiten fast verhindert.

"Man könnte meinen, das italienische Geschäft wäre intern einfacher zu verkaufen gewesen, und die Tatsache, dass es nicht geschehen ist, wirft die Frage auf, warum Porsche passieren würde", so der Analyst Tom Narayan. "Für traditionelle Automobilunternehmen ist das frustrierend - Tesla kann Eigenkapitalwährung verwenden um in ihrem Hinterhof zu wachsen."

(Bloomberg)