“In mehr oder weniger jedem Zeitraum seit der globalen Finanzkrise ist eine höhere Anzahl von Frauen in Führungspositionen als Manager oder im Aufsichtsrat mit einer Outperformance des Unternehmens im Vergleich zum Sektor verbunden”, schrieben Strategen um Sharon Bell am Dienstag in einer Note. Sie wiesen jedoch darauf hin, dass dies nicht für alle Branchen gelte und dass die wissenschaftliche Forschung zu diesem Trend noch nicht abgeschlossen sei.
Europäische Unternehmen mit hohem Frauenanteil
Die Goldman-Analysten haben einen neuen Korb europäischer Unternehmen mit dem höchsten Frauenanteil auf allen Ebenen eingeführt: Womenomics (GSSTWOMN Index), der Unternehmen wie LVMH, Swedbank, Nestlé und AstraZeneca umfasst. Französische und skandinavische Unternehmen dominieren die Liste, sagten die Strategen, da Frankreich ein Quotensystem für weibliche Aufsichtsratsmitglieder hat, während die skandinavische Region traditionell eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen aufweist.
Europa habe grössere Fortschritte als die USA gemacht, Frauen zur Gleichberechtigung in der Belegschaft zu verhelfen. Zwar sei die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen in der Region nach wie vor erheblich, in allen grösseren Ländern Europas jedoch geringer als in den USA, Kanada und Japan, so Goldman. Die Erwerbsbeteiligung von Frauen in Europa sei gestiegen, in den USA hingegen seit Ende der neunziger Jahre unverändert geblieben, so die Strategen.
Das Goldman-Research bezieht auch Stellung zur Marktdebatte über die Bedeutung von Investments, die auf Umwelt-, Sozial- und Governance-Grundsätzen basieren. In Europa hat das Interesse an derartigen Anlagen in diesem Jahr stark zugenommen. Laut Citigroup sind rund 50 Prozent aller neuen börsengehandelten Fonds in Europa, dem Nahen Osten und Afrika in diesem Jahr ESG-bezogen und kommen auf einen Vermögenswert von rund 4,2 Milliarden Dollar. Dem stehen 3,8 Milliarden Dollar für neue Nicht-ESG-Fonds gegenüber.
ESG-Flüsse
Zuflüsse in ESG-fokussierte Strategien könnten zu einer besseren Aktienperformance bei Unternehmen mit höherem Frauenanteil beigetragen haben, sagte Goldman.
“Die Kurs-Outperformance kann auf die Zuflüsse in ESG-Fonds, die auf Diversity-Kennzahlen abzielen, zurückzuführen sein, und nicht darauf, dass mehr Frauen bessere Ergebnisse oder geringere Risiken bringen”, sagten die Strategen. “Aber selbst wenn dies der Fall wäre, glauben wir weiterhin, dass Investoren höhere Sozial- und Governance-Werte für Unternehmen schätzen werden. Unternehmen, die bei diesen Kennzahlen gut abschneiden, sollten daher weiterhin sowohl Zuflüsse als auch Kursaufschläge anziehen.”
Einschränkend fügten die Goldman-Strategen hinzu, dass sie keine Korrelation zwischen höherem Frauenanteil und Eigenkapitalrendite feststellen konnten. Zwar sei die Outperformance von Unternehmen mit mehr Frauen über verschiedene Zeiträume „ziemlich robust“, funktioniere aber in Branchen wie Technologie nicht, da der Sektor seine Vielfalt nur langsam ausgeweitet habe. Auch gebe es keine abschliessenden wissenschaftlichen Ergebnisse zu der Frage, ob die Erhöhung des Frauenanteils die Performance verbessert.
Goldmans Europa Womenomics Index ist in diesem Jahr um etwa 8 Prozent gesunken, verglichen mit einem Rückgang von 11 Prozent im Vergleichsindex Stoxx Europe 600. In den letzten fünf Jahren war der Unterschied viel grösser: Womenomics legte um 20 Prozent zu, während der Stoxx 600 um rund 3,5 Prozent stieg.
Die Unternehmen im Korb beschäftigen durchschnittlich 46 Prozent weibliche Mitarbeiter, verglichen mit 36 Prozent beim Referenzindex Stoxx Europe 600. Darüber hinaus haben die ausgewählten Unternehmen 40 Prozent weibliche Manager und 42 Prozent Frauen im Aufsichtsrat.
(Bloomberg)