Zum Auftakt bekräftigten die Anwälte des 77-Jährigen ihre Sichtweise, dass ein Präsident in seinen Handlungen gehemmt sei, wenn er befürchten müsse, nach seiner Amtszeit vor Gericht gestellt zu werden oder gar ins Gefängnis zu kommen. Trump erschien nicht persönlich vor dem Supreme Court in Washington, weil er derzeit bei einem anderen Prozess gegen ihn in New York anwesend sein muss. Auf dem Weg in den Gerichtssaal in Manhattan unterstrich aber auch er seine Auffassung, dass ein ehemaliger Präsident vor Strafverfolgung wegen Handlungen und Taten während seiner Amtszeit geschützt sein müsse. «Ein Präsident muss Immunität haben», sagte er. «Wenn man keine Immunität hat, wird man nichts machen. Dann wird man nur ein zeremonieller Präsident.»

Während vereinzelte Richter aus dem konservativen Mehrheitslager Bedenken äusserten, verwiesen andere auf die zukunftsweisende Bedeutung des Urteils. «Wir schreiben ein Gesetz für die Ewigkeit», sagte der 2017 von Trump nominierte Jurist Neil Gorsuch. Sonderermittler Michael Dreeben erklärte den Richtern, dass der Oberste Gerichtshof noch nie die Art von Immunität anerkannt habe, die Trump für einen Amtsträger fordert. Auf die Frage, weshalb Trump der erste US-Präsident ist, der sich vor Gericht verantworten muss, antwortete er: «Der Grund, warum zuvor keine strafrechtliche Verfolgung stattgefunden hat - es gab keine Verbrechen.» Auch die als liberal geltenden Richterinnen Elena Kagan und Sonia Sotomayor schlugen kritische Töne an. Der konservative Samuel Alito hielt dagegen und warnte vor einem Kreislauf, der die USA als funktionierende Demokratie destabilisiere.

Die Gegenseite hat im Vorfeld der Anhörung argumentiert, dass niemand über dem Gesetz stehe und ein Antrag auf Immunität somit abzulehnen sei. Anlass für den Termin im Supreme Court ist ein Verfahren, in dem Trump wegen Wahlbeeinträchtigung angeklagt ist. Dem Republikaner wird vorgeworfen, er habe versucht, seine Niederlage gegen Joe Biden bei der Präsidentschaftswahl 2020 zu kippen. Von der spätestens Ende Juni erwarteten Entscheidung des Obersten Gerichts zur Frage der Immunität hängt ab, ob und wann dieses Verfahren fortgesetzt werden kann. Trump hat auf nicht schuldig plädiert.

Verzögerung kommt Trump zugute

Eigentlich sollte der Wahlbeeinträchtigungs-Prozess bereits im März beginnen. Doch dadurch, dass die Supreme-Court-Anhörung dazwischen geschoben wurde, verzögert sich der Auftakt um mehrere Monate. Allein das gilt als Erfolg für Trump, denn selbst wenn es zu einem Prozess kommt, wird voraussichtlich kein Urteil mehr vor der Präsidentschaftswahl im November fallen, bei der Trump diesmal als Herausforderer von Amtsinhaber Biden antreten will. Auch wenn der Prozess noch im Herbst beginnt, bekommen die Wähler potenziell belastende Zeugenaussagen womöglich nicht mehr vor der Wahl zu hören. Sollte Trump zudem die Wahl gewinnen und er erneut Präsident werden, könnte er versuchen, die Einstellung der Strafverfolgung zu erzwingen oder sich selbst zu begnadigen.

Trump wiederholt bis heute seine Falschbehauptung, dass er 2020 durch Wahlbetrug um seinen Sieg gebracht wurde. Im Januar 2021 trug das dazu bei, dass ein wütender Mob das Kapitol in Washington stürmte, als dort gerade der Kongress zusammenkam, um Bidens Wahlsieg offiziell zu bestätigen. Sonderermittler Jack Smith hatte die Anklage wegen Wahlbeeinträchtigung gegen Trump erwirkt. Der Ex-Präsident beantragte umgehend Immunität. Er scheiterte damit zwar vor einem Berufungsgericht, rief dann aber den Supreme Court an, woraufhin das mehrheitlich mit konservativen Richtern besetzte Gericht einer Anhörung zustimmte. Faktisch wurde dadurch das eigentliche Verfahren bis zu einer Entscheidung des Supreme Court auf Eis gelegt.

Trump hat hinsichtlich der Vorwürfe wiederholt erklärt, dass er unschuldig sei. Das macht er auch in drei anderen Strafverfahren geltend, mit denen er sich konfrontiert sieht. Dazu zählt der laufende Prozess in New York, der sich um eine Schweigegeld-Zahlung an eine Pornodarstellerin dreht und in dem Trump im Gerichtssaal anwesend sein muss. 

(Reuters)