Soll der Pilot mitten im Sturm nun auch noch die Konzernstrukturen ändern, damit Europas grösste Airline beweglicher wird? In die Karten schauen lässt sich Spohr derzeit nicht. Hinter vorgehaltener Hand ist aber durchaus zu vernehmen, dass es "Gedankenspiele" gibt, eine Holdingstruktur aufzusetzen. Branchenexperten sehen das mit gemischten Gefühlen.

"Die grösste Management-Herausforderung der Lufthansa ist ihre Komplexität", sagt Gerd Pontius, Unternehmensberater von Prologis. Manches werde bei den einzelnen Fluggesellschaften Lufthansa, Swiss, Austrian und Brussels Airlines mehrfach parallel gemacht. Auch das nage am Gewinn. Zugleich gebe es eine breite Vielfalt von Märkten, Produkten und Services – und das in einem höchst dynamischen Marktumfeld. "Eine reine Matrix-Organisation ist da schnell zu träge und unflexibel", sagt Pontius mit Blick auf die erst vor zwei Jahren eingeführte Matrix im Lufthansa-Konzern.

Das Matrix-System hat zwei Ebenen: Bei der Lufthansa zum einen die Unternehmensfunktionen wie operative Steuerung, Finanzen, Personal und Recht. Die zweite Achse bilden die verschiedenen Sparten Passagier-Airlines, Lufthansa Cargo, Lufthansa Technik und die zum Verkauf stehende Cateringtochter LSG.

Ausserdem werden konzernweite Aufgaben noch an den vier Drehkreuzen Frankfurt, München, Wien und Zürich erledigt. Eine solche mehrdimensionale Führung habe den Vorteil, dass viel vereinheitlicht werden könne, um Synergien zu heben, erklärt Pontius. "Aber die Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse sind meist langsamer, sie erfordern viel Abstimmung."

Eine Holding-Struktur, bei der Konzernfunktionen für eine zentrale Steuerung in einer Dachgesellschaft gebündelt werden, den Marken aber mehr Eigenständigkeit gelassen wird, sei schlagkräftiger. Das gehe aber wiederum auf Kosten der Effizienz. Vorstandschef Spohr nannte unlängst auf dem Investorentag noch einen anderen Nachteil: Unter den einzelnen Airlines im Konzern könne es zu ungewollter Konkurrenz kommen.

Mehr Strategie, weniger Klein-Klein?

Nach Ansicht von Daniel Röska, Analyst von Bernstein Research und Ex-Lufthansa-Mitarbeiter, gäbe eine Holding-Struktur der Konzernführung mehr Spielraum, sich mit Strategie und Kapitalbeschaffung zu beschäftigen.

Vier der sechs Lufthansa-Vorstände - Vorstandschef Spohr, der kaufmännische Leiter Harry Hohmeister, der operative Leiter Detlef Kayser und Eurowings-Chef Thorsten Dirks - kümmerten sich aktuell mehr oder weniger um den Betrieb. Daher dürften sich viele Diskussionen im Vorstand um konkrete operative Fragen drehen statt um Ziele für die einzelnen Unternehmensbereiche oder die Aufteilung von Investitionen.

Allerdings hat die Lufthansa nicht nur mit ihrer durch Zukäufe immer komplexeren Zusammensetzung zu kämpfen, sondern mit zunehmend schwierigen Marktbedingungen. Pleiten von Airlines führten bisher nicht zu weniger Angebot, sondern zu hartem Kampf um Marktanteile, der mit sinkenden Ticketpreisen ausgetragen wird.

Schwache Konjunktur und Handelsstreit als Probleme

Per-Ola Hellgren, Luftfahrt-Analyst von der Landesbank Baden-Württemberg, warnt ausserdem vor den Folgen einer schwachen Konjunktur und des von den USA entfachten Welthandelskonflikts. "Das ist schlecht für Airlines, die das über Rückgänge im Frachtgeschäft und im Geschäftsreiseverkehr zu spüren bekommen", sagt er. Eine Holding werde womöglich die Bilanz besser aussehen lassen und das Management der eigenständigeren Töchter zu höheren Gewinnen anstacheln. "Aber an den Belastungen im operativen Geschäft ändert das nichts."

In der Zwickmühle zwischen Grundsatzdiskussionen und bröckelndem Geschäft könnte die Lufthansa-Führung nach Einschätzung von Pontius deshalb einen Mittelweg einschlagen.

Denn auch in einer Matrix könnten die Tochtergesellschaften - bezogen auf spezifische Aufgaben - selbstbestimmter arbeiten und entscheiden. "Die Lufthansa wird die Frage Holding versus Matrix nicht Schwarz-Weiss beantworten." Das deutete nun auch Finanzchef Ulrik Svensson an: "Die Matrix bleibt, aber in der Matrix kann man einige Dinge straffen."

(Reuters)