Die Zahlen sind brutal: Im laufenden Jahr ist Erdöl um 30 Prozent billiger geworden. Das zeigt der unten stehende Chart. Im Sommer 2014 stand der Preis für ein Barrel der Ölsorte Brent gar noch bei 115 Dollar. Am Montag nun ist dieser unter den Stand von 40 Dollar gefallen – der tiefste Wert seit sechs Jahren.

Doch in den Taschen der Konsumenten ist dieser Preisverfall noch kaum angekommen. Sie bezahlen für einen Liter bleifreies Benzin vielerorts immer noch gleich viel wie Anfang Januar.

Preis der Ölsorte Brent in diesem Jahr, Quelle: cash.ch

Das macht stutzig. Denn der Ölpreis ist ein wichtiger Faktor bei der Berechnung der Benzin- und Dieselpreise. Laut Angaben der Erdöl-Vereinigung setzt sich der Preis für einen Liter Bleifrei 95 in der Schweiz wie folgt zusammen: 61 Prozent für Steuern und Abgaben, 28 Prozent für Einkauf und Fracht. 11 Prozent beträgt die Handelsspanne. Veränderungen im Erdölpreis sollten also an der Zapfsäule deutlich spürbar sein.

Schweizer Benzinpreise im Monatsmittel, Quelle: erdoel.ch

Doch Schweizer Auto- und Töfffahrer merken diese Preisanpassungen meistens nur, wenn der Ölpreis steigt. In umgekehrter Richtung warten sie erst einmal vergeblich. Dieser Mechanismus stört auch die Konsumentenschützer: "Leider scheint sich noch kaum etwas daran geändert zu haben, dass Tankstellen den Preisvorteil von günstigem Rohöl nicht direkt weitergeben an die Konsumenten", sagt Patrick Hischier vom Konsumentenforum zu cash.

Auf einen weiteren Aspekt machte jüngst Sara Stalder von der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) aufmerksam. Seit Jahrzehnten sei beobachtbar, dass die Benzinpreise in der Schweiz an verkehrsintensiven Feiertagen oder während den Ferien ansteigen – unabhängig vom Ölpreis.

Kleine Tankstellen unter den günstigsten

Meistens sind es zudem eher kleine Tankstellen, die am schnellsten auf billigeres Öl reagieren. Sieht man einmal von der zollbefreiten Region in Samnaun ab, befinden sich unter den günstigsten Schweizer Benzin-Anbietern auffallend viele freie Tankstellen, wie der Online-Benzinvergleich zeigt.

Noch günstiger fährt, wer im Ausland Treibstoff nachfüllt. In Deutschland ist der Dieselpreis am letzten Wochenende unter einen Euro gefallen, während er in der Schweiz etwa 1,48 Franken beträgt.

Überhaupt funktioniert die Preisgestaltung in Deutschland ganz anders als hierzulande. Innerhalb von fünf Minuten müssen Tankstellenbetreiber eine Preisänderung an die Markttransparenzstelle melden. Von dort werden sie an Online-Plattformen weitergeleitet, wo sie öffentlich einsehbar sind. Dieses Vorgehen führt zu mehr Preistransparenz und dazu, dass Tankstellen mehrmals täglich ihre Preise anpassen. Von solchen wettbewerbsähnlichen Zuständen können Autofahrer in der Schweiz bislang nur träumen.

Öl wird billig bleiben

Einige Schweizer Tankstellen haben in den letzten Tagen auf die Ölschwemme reagiert und ihre Treibstoffe um bis zu drei Rappen pro Liter vergünstigt. Auch Shell und Migrol senken die Preise im gleichen Umfang, wie die Konzerne auf Anfrage mitteilen. Doch das sind immer noch Preise, die mitnichten im Verhältnis zur Ölpreis-Entwicklung stehen. Die durchschnittlichen Säulenpreise an Shell-Tankstellen haben sich im Laufe des Jahres nämlich kaum nach unten bewegt.

Eine gute Nachricht bleibt wenigstens für Konsumenten: Zumindest teurer werden dürfte Benzin in den kommenden Wochen nicht. Denn der Grund für den Ausverkauf beim Erdöl sind das unvermindert hohe Angebot im Vergleich zur Nachfrage und die prall gefüllten Lager. Das dürfte noch einige Zeit so bleiben, da die Organisation erdölexportierender Länder (Opec) sich an ihrem jüngsten Treffen nicht auf eine Drosselung der Produktion einigen konnte.

Deshalb hofft Konsum-Experte Hischier, dass "nicht beim ersten Anzeichen für einen Anstieg des Rohöl-Preises gleich wieder mehr für Treibstoffe verlangt wird".