Noch bis vor wenigen Wochen floss viel ausländisches Geld in die Aktie von Sonova. Der Hörgerätehersteller aus Stäfa verfüge über gute Wachstumsaussichten sowie über ein von der Wirtschaftsentwicklung unabhängiges Tagesgeschäft, so lautete die Begründung.

Nun bröckelt der Lack allerdings. Erst stellte das Unternehmen überraschend das mit 1,5 Milliarden Franken dotierte Aktienrückkaufprogramm ein, um damit auf die kurzfristigen Unsicherheiten rund um die weltweite Ausbreitung des Coronavirus zu reagieren. Dann wartete es am gestrigen Mittwochabend mit einer Reduktion der diesjährigen Zielvorgaben auf.

Neuerdings strebt Sonova in Lokalwährungen betrachtet ein Umsatzwachstum von 8 Prozent (zuvor 9 bis 11 Prozent) an. Und auch beim operativen Gewinn (EBITA) werden die Analysten den Rotstift ansetzen müssen. Das bleibt für gewöhnlich nicht ohne Folgen für die Aktienkursentwicklung. Noch Mitte Februar war der Hörgerätehersteller von einem operativen Gewinnwachstum zwischen 14 und 17 Prozent ausgegangen.

Umsatz in einigen europäischen Ländern stark rückläufig

Nach einem frühen Rücksetzer in die Nähe von 155 Franken grenzt die Sonova-Aktie die Kursverluste ein. Zur Stunde verliert sie noch 0,5 Prozent auf 160 Franken.

Bernstein Research erklärt sich die Reduktion der diesjährigen Zielvorgaben damit, dass zuletzt viele Verkaufsstellen geschlossen werden mussten. In einigen europäischen Ländern wie Spanien oder Frankreich könnte der Hörgeräteabsatz im laufenden Monat gar um 80 bis 90 Prozent eingebrochen sein. Hinzu komme, dass medizinische Eingriffe für Hörimplantate ausgesetzt worden seien. Bernstein Research rät deshalb weiterhin mit "Underperform" zum Verkauf der Sonova-Aktie.

Für die Bank Vontobel kommen die vorsichtigeren Zielvorgaben nicht überraschend, nachdem kürzlich bereits der Hörgerätehersteller Demant eine Gewinnwarnung ausgesprochen hat. Die Zürcher Bank stösst sich etwas daran, dass Sonova keine konkreten Aussagen mehr zur operativen Gewinnentwicklung macht. Sie rechnet damit, dass die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auch im kommenden Geschäftsjahr noch zu spüren sein wird. Das Anlageurteil lautet weiterhin "Reduce". Das Kursziel von 190 Franken dürfte hingegen reduziert werden.

Die Zürcher Kantonalbank will ihre Gewinnschätzungen deutlich nach unten anpassen. Ihres Erachtens verlassen ältere Personen auf der ganzen Welt - sie sind die Hauptkundschaft des Hörgeräteherstellers - zurzeit das Haus kaum noch. Dadurch wird fast kein Umsatz mehr generiert. Die langfristigen Wachstumsaussichten hält die Zürcher Bank allerdings für intakt. Dennoch rät sie Anlegern vorerst an der Seitenlinie zu verharren und stuft die Aktie nur mit "Marktgewichten" ein.

Solide Bilanz von Vorteil

Der australische Rivale Cochlear kündigte am frühen Mittwochmorgen sogar an, dass er aufgrund der wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie mit einem operativen Jahresverlust rechne. Um diesen Verlust auffangen zu können, will der Hörimplantatehersteller eine 850 Millionen australische Dollar schwere Kapitalerhöhung mit einem Abschlag von 17 Prozent zum Vortageskurs durchführen.

Aus Sicht der UBS ist die geringe Verschuldung und die daduch solide Bilanz nun von Vorteil für Sonova. Die Grossbank glaubt nicht, dass der Hörgerätehersteller wie Cochlear neues Geld benötigt. Dennoch wird auch die UBS ihre Gewinnschätzungen und das 250 Franken lautende 12-Monats-Kursziel überarbeiten. An der Kaufempfehlung hält sie indes fest.

Wie Händler ergänzen, hat Sonova seit dem Vorstoss ins Geschäft mit Hörimplantaten mittels der Übernahme von Advanced Bionics vor vielen Jahren immer wieder mit Problemen zu kämpfen. Diesem Geschäftszweig haftet mittlerweile der Ruf des Sorgenkinds an.