Angesichts anhaltender israelischer Angriffe fliehen Tausende Menschen aus Teheran und anderen grossen iranischen Städten. Iranische Medien meldeten am Mittwoch grosse Verkehrsstaus und ausgesetzte Verbindungen, da zahlreiche Bewohner die Hauptstadt und grosse Ballungszentren verlassen. Ein israelischer Militärvertreter sagte, 50 Kampfjets hätten etwa 20 Ziele in Teheran angegriffen. Darunter seien Anlagen zur Herstellung von Rohmaterialien, Komponenten und Produktionssystemen für Raketen gewesen. Das israelische Militär meldete am frühen Morgen zudem, der Iran habe zwei Raketensalven auf Israel abgefeuert. Über Tel Aviv waren Explosionen zu hören.
Israel hat die Bewohner eines südwestlichen Gebiets von Teheran zur Evakuierung aufgefordert. Dies solle der israelischen Luftwaffe ermöglichen, iranische Militäranlagen anzugreifen. Die halbamtliche iranische Nachrichtenagentur Mehr meldete Zusammenstösse zwischen Sicherheitskräften und nicht identifizierten Bewaffneten in der Stadt Rey südlich von Teheran. Die Angreifer könnten Verbindungen zu Israel haben und hätten «terroristische Operationen in dicht besiedelten Gebieten der Hauptstadt» geplant.
Der israelische Verteidigungsminister befeuert mit einer neuen Äusserung Spekulationen, dass Israel im Krieg gegen den Iran nicht nur auf das Atomprogramm des Landes zielt. «Symbole der Regierung werden bombardiert und brechen zusammen - von der Rundfunkanstalt bis zu bald weiteren Zielen», schrieb Israel Katz auf der Plattform X. Ein Tornado ziehe über Teheran hinweg. «So brechen Diktaturen zusammen.»
Iranische Nachrichtenportale berichteten zudem, Israel habe eine mit der Revolutionsgarde verbundene Universität im Osten des Landes angegriffen. Auch die Chodschir-Raketenanlage nahe Teheran sei getroffen worden. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) erklärte am Dienstag, ein israelischer Angriff habe direkt die unterirdischen Hallen zur Urananreicherung der Atomanlage Natans getroffen. Israel erklärte, den iranischen Luftraum zu kontrollieren. Die Angriffe würden in den kommenden Tagen noch intensiviert.
«Zumindest jetzt noch nicht»
US-Präsident Donald Trump warnte am Dienstag in sozialen Medien, die Geduld der USA sei sehr strapaziert. «Wir wissen genau, wo sich der sogenannte 'Oberste Führer' versteckt», schrieb er auf Truth Social mit Blick auf das geistliche und politische Oberhaupt der Islamischen Republik, Ajatollah Ali Chamenei. «Wir werden ihn nicht ausschalten (töten!), zumindest jetzt noch nicht... Unsere Geduld wird dünner.» Drei Minuten später forderte Trump vom Iran: «BEDINGUNGSLOSE KAPITULATION!»
Die Vereinigten Staaten verlegen nach Angaben von US-Vertretern mehr Kampfflugzeuge in den Nahen Osten. Bislang haben die US-Streitkräfte allerdings nur indirekt eingegriffen und etwa Raketen abgeschossen, die auf Israel abgefeuert wurden. Erwogen werde aber nach Angaben von Insidern, sich Israel bei Angriffen auf iranische Atomanlagen anzuschliessen. US-Unterstützung ist nach Meinung von Experten vor allem erforderlich, um die teils tief unter der Erde liegenden Atomanlagen zu treffen.
Iranische Behörden haben seit Beginn des Kriegs am vergangenen Freitag 224 Todesopfer gemeldet, meist Zivilisten. Israel gab an, 24 Zivilisten seien getötet worden. Die Eskalation folgt auf monatelange zunehmende Spannungen zwischen Iran und Israel. Israel begründet seinen Angriff damit, dass die Islamische Republik kurz vor der Entwicklung einer Atomwaffe stehe. Vor Beginn des israelischen Angriffs hatte die IAEA den Iran zum ersten Mal seit fast 20 Jahren des Verstosses gegen seine Nichtverbreitungsverpflichtungen beschuldigt.
Deutsche sollen nach Hause geflogen werden
Seit dem Angriff der vom Iran unterstützten Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, der den Gaza-Krieg auslöste, hat der regionale Einfluss des iranischen Oberhauptes Chamenei abgenommen. Irans Verbündete in der Region, die radikal-islamische Organisatione Hamas im palästinensischen Gazastreifen und die schiitische Hisbollah-Miliz im Libanon sind durch israelische Angriffe stark geschwächt. Irans enger Verbündeter, Syriens Machthaber Baschar al-Assad, wurde gestürzt. Bei israelischen Angriffen wurden zudem Chameneis wichtigste militärische und sicherheitspolitische Berater getötet.
Die Führung in Teheran bestreitet, nach Atomwaffen zu streben. Sie beharrt auf ihrem Recht auf Nukleartechnologie für friedliche Zwecke, einschliesslich der Anreicherung von Uran, als Vertragspartei des internationalen Atomwaffensperrvertrags. Israel, das nicht Vertragspartei ist, gilt als einziges Land im Nahen Osten, das Atomwaffen besitzt, obwohl es dies weder bestätigt noch dementiert.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat betont, er werde nicht nachgeben, bis Irans nukleare Entwicklung ausgeschaltet sei. Trump wiederum hat angedeutet, der israelische Angriff könnte enden, wenn der Iran strengen Einschränkungen der Uran-Anreicherung zustimmt. Trumps teilweise widersprüchliche und kryptische Botschaften über den Konflikt zwischen dem engen US-Verbündeten Israel und dem langjährigen Feind Iran haben die Unsicherheit in der Krise allerdings vertieft.
Dessen ungeachtet hat Israel mit dem Rückflug von Bürgern begonnen, die im Zuge des Kriegs im Ausland festsitzen. Der erste Flug landete am frühen Mittwochmorgen auf dem Flughafen Ben Gurion. An Bord der Maschine der Fluggesellschaft El Al waren Passagiere aus Larnaka auf Zypern. Weltweit versuchen nach Schätzungen des israelischen Verkehrsministeriums mehr als 50.000 gestrandete Israelis, nach Hause zu kommen. Parallel dazu fliegen zahlreiche Staaten ihre Staatsbürger aus Israel aus. Das Auswärtige Amt hat für Mittwoch einen ersten Flug von der jordanischen Hauptstadt Amman aus Richtung Deutschland für rund 180 Passagiere organisiert.
(AWP/Reuters)